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Ein erstes Interview mit Điếu Cày


Der bekannte vietnamesische Blog Dân Làm Báo sprach mit dem kürzlich frei gelassenen Blogger Điếu Cày, der mehr als 6 ½ Jahre in vietnamesischen Gefängnissen verbüßte.

Hallo Điếu Cày, zunächst einmal willkommen im Land der Freiheit. Können Sie den Weg vom Gefängnis über den Flughafen Nội Bài (Hà Nội) und letztlich den Weg in die Vereinigten Staaten beschreiben?

Am 20. Oktober 2014 um 10 Uhr wurde ich von zwei Wagen vom Thanh Chương Gefängnis in Nghệ An abgeholt und zum Flughafen Nội Bài, Hà Nội gebracht. Als wir in der Nähe des Flughafens waren begleitete uns ein drittes Polizeifahrzeug, d.h. 19 Beamte eskortierten mich nach Nội Bài. Sie brachten mich direkt über das Rollfeld in einen abgeschotteten Bereich des Flughafens, wo ich warten musste und begleiteten mich anschließend zur Gangway des Flugzeugs. Während der ganzen Anfahrt war es mir nicht erlaubt meine Familie oder Verwandte zu sehen.

Ich habe das Land nicht verlassen, wie es ein normaler Bürger verlassen würde. US-Beamte des Außenministeriums empfangen mich im Eingangsbereich des Tunnels und führten mich ins Flugzeug. Ein Beamter begleitete mich den gesamten Weg von Hong Kong nach Los Angeles.

Bevor Sie gezwungen wurden das Land zu verlassen, versuchte die vietnamesische Staatssicherheit Sie unter Druck zu setzen?

Ja, es gab da einen Fall am 18. August 2014. Hohe Beamte der Staatssicherheit kamen zu mir und empfahlen mir ein Schuldgeständnis zu unterzeichnen, um vorzeitig aus der Haft entlassen zu werden. Ich weigerte mich das Geständnis auszufüllen und sagte ihnen, dass ich unter keinen Umständen von meinen Prinzipien weichen werde und ich niemals irgendwelche Beschuldigungen akzeptieren werde.

Danach gab es noch zwei weitere Begegnungen mit Beamten des Sicherheitsapparates, darunter eine mit dem stellvertretenden Gefängnisdirektor. Man fragte mich, ob ich meine Meinung überdacht hätte in Bezug auf das Schuldgeständnis. Ich antwortete, dass ich niemals auf schuldig plädieren werde nur um aus dem Gefängnis zu kommen. Sie fragten mich nochmal und ich gab ihn zu verstehen, dass sich meine Ansicht niemals geändert hatte.

Beim nächsten Treffen kam ein Polizeihauptmann zu mir und stellte dieselbe Frage, ob ich meine Meinung geändert hätte. Sie wussten aber dass es aussichtslos war. Dann verließen sie den Raum, hatten aber ein vorbereitetes Dokument bei sich, falls sich meine Meinung ändern sollte, damit ich es unterzeichnen könnte, um aus dem Gefängnis entlassen zu werden.

Hatten Sie zu jener Zeit Informationen, dass die Vereinigten Staaten und Vietnam über ihren Fall verhandelten?

Im Gefängnis war man von allen Nachrichten abgeschnitten, so war es für uns nicht möglich aktuelle Informationen mit zu verfolgen.

Am 22. September 2014 traf mich ein Beamter des US-Außenministeriums im Gefängnis. Erst dann war mir klar, dass US-Vertreter mit vietnamesischen Behörden über meinen Fall diskutiert hatten. Während des Gesprächs mit dem US-Beamten sagte dieser zu mir:

„Die Regierung der Vereinigten Staaten hat die vietnamesische Regierung aufgefordert Sie ohne Vorbedingungen freizulassen. Entweder Sie bleiben in Vietnam oder verlassen das Land in die Vereinigten Staaten. Aber bis jetzt konnten sich die amerikanischen und vietnamesischen Vertreter nur darauf einigen, dass Sie Vietnam verlassen müssen und in die USA gehen sollen."

Das waren die letzten Informationen, die ich erfahren hatte.

Erst kürzlich verkündete ein Beamter des vietnamesischen Außenministeriums, dass es eine Ausreiseerlaubnis für Nguyễn Văn Hải in die USA aufgrund humanitärer Gründe geben werde. Was ist Ihre Antwort zu dieser Aussage?

Ich denke, dass diese Aussage dem Gegenteil der Wahrheit entspricht. Die Weltgemeinschaft und unsere vietnamesische Gemeinschaft konnte sehen, wie ich unter Begleitung zum Flughafen gebracht wurde und gezwungen wurde Vietnam zu verlassen und wie ich in L.A. mit nur ein Paar Sandalen an meinen Füßen ankam. Das zeigt, wie ich mein Land verlassen musste.

Wenn es aus humanitären Gründen gewesen wäre, so hätte ich zurück zu meiner Familie nach Sài Gòn gebracht werden sollen und nicht in die Vereinigten Staaten. Außerdem, wenn es aus humanitären Gründen gewesen sein soll und ich in die USA reise, dann auf normalem Wege mit einem Flugticket und nicht eskortiert bis zur Gangway.

Es wird gesagt, dass Sie als einer der bekanntesten politischen Häftlinge, der das Land verlassen musste, es nun schwer haben werden für Ihre Prinzipien zu kämpfen, als wenn Sie innerhalb Vietnam wären. Was denken Sie darüber?

Um es mit wenigen Worten auszudrücken: Ich war in 11 Haftanstalten und verbüßte sechseinhalb Jahre in Gefangenschaft. Ich habe in dieser Zeit die ganze Boshaftigkeit und Hässlichkeit innerhalb vietnameischer Haftanstalten erlebt und durch diese persönlichen Erfahrungen, auch wenn ich nicht Hand in Hand mit meinen Mitstreitern in Vietnam kämpfen kann, habe ich es mir zur Pflicht gemacht für Menschenrechte innerhalb der vietnamesischer Gefängnisse zu kämpfen. Ich setze mich für Meinungs- und Pressefreiheit ein, fordere die Ausübung und das Anrecht einer wirklichen Rechtsprechung in vietnamesischen Gefängnissen, sowie das Recht auf Revision und das Recht gesetzesverstoßende Praktiken innerhalb einer Haftanstalt melden zu dürfen.

Gefangene werden ihrer Grundrechte beraubt und dürfen Ihre Stimme nicht erheben, um Missstände zu melden. Sie erhalten kein Anrecht auf eine Berufung eines Urteils, obwohl diese in der staatlichen Verfassung und im Bürgerlichen Gesetzbuch garantiert werden, weil innerhalb der kommunistischen Haftanstalten die Gefängniswärter nur den Anweisungen ihrer älteren Vorgesetzten folgen, ungeachtet der Gesetze und der Verfassung. Vietnamesischen Häftlingen werden die Rechte beschnitten.

Aus diesem Anlass will ich handeln und im Namen der politischen Gefangenen sprechen, auch wenn sie keine Fragen stellen können, weil sie inhaftiert sind. Die unvermeidbare Situation im Exil zu sein heißt für mich nicht, dass sich die Türen des Kampfes geschlossen haben. Denn Dank des Internets macht es keinen Unterschied innerhalb oder außerhalb Vietnams aktiv zu sein.

Da ich nun außerhalb von Vietnam bin kann ich meine Aktivitäten noch steigern und meine inhaftierten Mitbestreiter, die ihr Wort nicht erheben können repräsentieren. Ich bringe ihre Stimme nach außen, aber nicht wie jemand, der nur die Freiheit kennt. Um in ihrem Namen zu sprechen braucht man jemanden, der ihre Situation versteht und Erfahrung mit dem Gefängnisleben hat, das sie ertragen müssen. Während meiner sechseinhalbjährigen Haft war ich in 11 verschiedenen Gefängnissen vom Süden bis zum Norden. Ich habe von innen heraus das Schicksal vietnamesischer Gefangener erfahren und weiß, was sie am meisten brauchen …das Recht zu sprechen.

Wenn Sie heute auf den Weg zurückblicken, den Sie als Gründer des Clubs der freien Journalisten durchgemacht haben, gibt es etwas, dass Sie an uns weitergeben wollen?

Ich habe nur eine Erfahrung, die ich weitergeben möchte. In den sechs Jahren und sechs Monaten bin ich in 11 Gefängnissen gewesen. Während der gesamten Zeit habe ich immer an alle, jedes einzelne Mitglied des Club der freien Journalisten gedacht. Wir Mitglieder sind wie eine große Familie gewesen, Brüder und Schwestern. Das Gefühl einer Bruder-/ Schwesternschaft, wir haben einander gesucht, und uns mit aller Kraft und Beistand in den Jahren gegenseitig unterstützt.

Daher möchte ich in den kommenden Tagen zu all meinen Freunden und Mitbestreitern innerhalb und außerhalb der vietnamesischen Gefängnisse sagen: Kommt alle zusammen und lasst uns als Gruppe für Menschenrechte und die Rechte unserer immer noch inhaftierten Mitstreiter kämpfen. Lasst uns für alle anderen Freunde, die sich für Presse- und Meinungsfreiheit, Demokratie oder anderen Grundrechten in Vietnam einsetzen kämpfen. Das Ziel all unserer Anstrengungen ist, dass diese Rechte zum vietnamesischen Volk zurückkehren.

Die Bestimmung in den Vereinigten Staaten zu sein ist das Ergebnis vieler internationaler zivilgesellschaftlicher Organisationen, verschiedener Regierungen und Freunden innerhalb, aber auch außerhalb Vietnams, die sich so unerlässlich und unaufhörlich dafür eingesetzt haben, dass ich heute meine Freiheit bekommen habe. Das ist der Verdienst demokratischer Werte. Das ist der Verdienst für unerlässliche, ununterbrochene Bemühungen von westlichen Regierungen, den Auslandsvietnamesen und allen internationalen Organisationen in den vergangenen Jahren, damit ich in Freiheit leben darf.

Ich danke von ganzem Herzen allen, die mit aller Kraft und ohne Selbstsucht für die Pressefreiheit in Vietnam gekämpft haben. Ich bin jedem der internationalen Gemeinschaft so dankbar, der sich für meine Freilassung eingesetzt hat.

Jetzt zur letzten Frage, verraten Sie der vietnamesischen Gemeinschaft und der allgemeinen Öffentlichkeit, was ihre nächsten Aktivitäten in naher Zukunft sein werden?

Also zunächst wird der Club der freien Journalisten neu besetzt werden, denn seit seiner Gründung wurden einige von uns festgesetzt oder inhaftiert aber wir haben nie unser Ziel aufgegeben.

Nun, da ich frei bin, werden sich alle meine Kollegen neuorganisieren, um die Aktivitäten des Clubs der freien Journalisten wiederzubeleben und für die Presse- u. Meinungsfreiheit zu kämpfen.

Zweitens, ich persönlich werde mich für die politischen Gefangenen in Vietnam, die unterdrückt werden und keine Stimme haben, einsetzen. Ich werde in ihrem Namen in verschiedenen Foren sprechen. Unter meinen Kollegen gibt es eine besondere Frau, die noch inhaftiert ist, Frau Tạ Phong Tần. Diese heldenhafte Frau kämpft seit Jahren tapfer und ununterbrochen in der kommunistischen Haftanstalt. Auch an ihre geliebte Mutter Frau Đặng Thị Kim Liêng möchte ich erinnern, die sich in Front des Hauptquartiers der kommunistischen Regierung aus Protest der unmenschlichen und repressiven Behandlung ihrer Tochter und anderen politischen Häftlingen, mich eingeschlossen, selbst in Brand steckte und dabei den Tod fand.

Original Interview




Quelle:
http://danlambaovn.blogspot.fr/2014/10/ieu-cay-tra-loi-phong-van-danlambao.html


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