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Das wandelnde Gesicht des Kommunismus in Vietnam


Von Marianne Brown und Pham Bac, Hanoi DPA

In einem trendigen Café in Hanoi Mitte nippt Van an ihrem Kaffee Latte und tippt auf die Bildschirmoberfläche ihres iPhone5. Gekleidet in einer Designer Wolljacke und engen Jeans beantwortet die 28-jährige, die auch Englisch versteht, die Fragen auf Vietnamesisch. Sie ist Mitglied der Kommunistischen Partei (KP).
 
„Ich bin der Partei wegen meiner Arbeit beigetreten", erklärt Van, die für eine staatliche Medienagentur arbeitet und ihren echten Namen nicht erwähnen möchte. Ein Parteimitglied zu sein gibt ihr bessere Möglichkeiten für einen Berufsaufstieg erklärt sie.

Van gehört zu jenen Menschen, die in einer Wohlhabenden Familie der Nachkriegsära aufgewachsen und von der Konsumkultur ergriffen sind. Eine Generation, die zu jung ist sich an Vietnams Jahre der bittersten Armut zu erinnern.

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Das fortdauernde Überleben der Kommunistischen Partei Vietnams (KPV) dürfte mit der weitverbreiteten Adaption globaler Marken, wie Starbucks und Mc Donalds aus westlichen Augen nicht zusammen passen. Aber Vans Pragmatismus zeigt, wie die KPV in den letzten Jahrzehnten verwittert ist.

„Die Lebensdauer hängt teilweise davon ab, wie man Kommunismus definiert, wenn man es vom wirtschaftlichen Aspekt betrachtet, so ist der Kommunismus in Vietnam tot“, erläutert Carl Thayer, Vietnamexperte und emeritierter Professor der Universität New South Wales, Australien.

Wissenschaftler argumentieren, dass die Wurzeln der kommunistischen Parteien Südostasiens des 20. Jahrhunderts auf den Konfuzianismus zurückzuführen sind, eine Lehre von Philosophie und Ordnung, sowie Hierarchie und strengen Moralvorstellungen, die es für die Menschen in Ländern, die historisch unter Chinas Einfluss standen, einfacher machte die Prinzipien des Kommunismus zu akzeptieren.
 
„Ho Chi Minh, der Revolutionär, der die Vietnamesen gegen das koloniale Frankreich führen würde, verstand die Wichtigkeit der Versöhnung zwischen dem Kommunismus und der konfuzianischen Kultur“, schreibt der Autor David Priestland in seinem Buch The Red Flag: Communism and the Making of the Modern World.

Heutzutage versucht die vietnamesische Regierung die „Moralen und Tugenden des Ho Chi Minh“ in Schulen, Medien und Bannern, die die Straßen schmücken, weiter aufrechtzuerhalten. Aber einige Leute wenden ein, dass es überwiegend nur noch Schönfärberei sei.

„Die jetzige KP hat überhaupt keine Ahnung über den Konfuzianismus und wenig über Kommunismus", sagt der ehemalige Regierungsberater Professor Tuong Lai, der seit 56 Jahren Mitglied der Partei ist.

„Anstatt Ideologie beruht die heutige Legitimität der KPV auf der Fähigkeit die Gesellschaft im großen Umfang mit wirtschaftlichen Gütern zu beliefern und nicht auf moralischer Grundlage", erklärt Professor Thayer.

Es begann 1986, als die KP die sowjetische Doktrin der zentralen Planwirtschaft beendete und wirtschaftliche Reformen, bekannt als „doi moi“ einläutete und durch ausländische Direktinvestitionen Bestätigung fand.

Über die Jahre führten durchgängiges Wirtschaftswachstum und Direktinvestitionen zu einem Anstieg des Lebensstandards und zur Aufwertung des Landes mit einem mittleren Einkommensstatus. So lange dieser Trend anhält erlauben der Kapitalismus und die Globalisierung auch das Fortbestehen der Partei.

„Wenn Vietnams Kommunisten nicht vom stalinistischen System der Planwirtschaft mit dem Schwerpunkt der Schwerindustrie abgewichen wären, dann hätte es keine ausländischen Direktinvestitionen gegeben. Die kapitalistische Welt hätte keinen Anreiz gehabt in Vietnam zu investieren“, gibt Thayer zu verstehen.

Das bedeutet aber nicht, dass die althergebrachten Werte tot sind. Ungeachtet der Reden über Korruption und der Ausgrenzung wegen seiner Ansichten, sagt Tuong Lai, dass er nicht darüber nachdenke seine Parteimitgliedschaft aufzugeben.

„Einige Leute fragen mich, warum ich in der Partei bleibe. Dann antworte ich, dass ich bleibe, um bei den Führern aufzuräumen, damit sie das Land vorwärts bringen. Ich glaube daran, dass es in der Partei viele Patrioten gibt“ erklärt der Kommunist.

Aber sein Optimismus findet nicht bei vielen Vietnamesen Nachhall. Der Bauer Nguyen Van Hien, 53, aus der Hai Duong Provinz, war als Soldat an die chinesische Grenze in den frühen 1980er Jahren geschickt worden, als die Spannungen zwischen Vietnam und China ihren Höhepunkt erreichten.

„Die jetzige Partei ist ganz anders als jene, die zur Zeiten des Vietnamkriegs und dem Krieg mit China herrschte. Damals kümmerten sich die Führer um das Leben der Menschen. Jetzt kümmern sie sich nur noch um sich selbst. Der Rückhalt für die Partei hat bei den Bauern sehr stark abgenommen", betont der Bauer Hien.

Van, die in der Medienbranche arbeitet, sagt, dass sie ihre Parteimitgliedschaft aufgeben würde, wenn sie für eine ausländische Firma arbeite.

„Vielleicht wird es in der Zukunft für meinen Job keine Rolle spielen, aber jetzt noch nicht. Die Mehrheit der Vietnamesen in meinem Alter sind Ho Chi Minhs Lehren völlig egal. Sie lesen sie oder sagen diese nur auf, weil es schon zur Gewohnheit geworden ist“ erklärt Van.