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Kurzer Prozess mit drei Dissidenten

Haftstrafe zwischen drei und fünf Jahren – IGFM: keine diplomatischen Rücksichten im Menschenrechtsdialog mit Vietnam - Rechtsstaat nur vorgetäuscht

Ho Chi Minh Stadt / Frankfurt am Main (10. Mai 2007) – In einer nur drei Stunden dauernden Verhandlung wurden drei führende Mitglieder der Volksdemokratischen Partei Vietnams vom Volksgericht in Ho Chi Minh Stadt zu Haftstrafen zwischen drei und fünf Jahren verurteilt.
Haftstrafe zwischen drei und fünf Jahren – IGFM: keine diplomatischen Rücksichten im Menschenrechtsdialog mit Vietnam - Rechtsstaat nur vorgetäuscht

Ho Chi Minh Stadt / Frankfurt am Main (10. Mai 2007) – In einer nur drei Stunden dauernden Verhandlung wurden drei führende Mitglieder der Volksdemokratischen Partei Vietnams vom Volksgericht in Ho Chi Minh Stadt zu Haftstrafen zwischen drei und fünf Jahren verurteilt. Sie sollen angeblich subversive Flugblätter verteilt und antikommunistische Schriften verfasst haben. Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) bezeichnete den Prozess als unfair, grundsätzliche Verfahrensrechte seien den Angeklagten vorenthalten worden: nur einem Angeklagten stand ein Verteidiger zur Seite, die Angehörigen zweier Angeklagten erfuhren vom Gerichtstermin erst durch Presseberichte. Nach Meinung der IGFM hatten die Angeklagten nur von ihrem Recht auf Meinungsfreiheit nach der vietnamesischen Verfassung Gebrauch gemacht haben. Die IGFM fordert Vietnam auf, die Dissidenten unverzüglich und bedingungslos freizulassen. Ferner appelliert die IGFM an die EU, im Menschenrechtsdialog mit Vietnam die Prozesslawine zu thematisieren und dabei keine diplomatischen Rücksichten zu nehmen.

Wegen "Propaganda gegen gegen die Sozialistische Republik Vietnam" verurteilte das Volksgericht in Ho Chi Minh Stadt den 48jährigen Arzt Le Nguyen Sang zu fünf Jahren Haft, den 37jährigen Rechtsanwalt Nguyen Bac Truyen zu vier Jahren Haft und den 37jährigen Firmendirektor Huynh Nguyen Dao zu drei Jahren Haft. Es ist der IGFM nicht bekannt, ob die Angeklagten mit einem mehrjährigen Hausarrest als Zusatzstrafe, die in politischen Prozessen üblich ist, verurteilt wurden.

Nur einem der drei Angeklagten – Nguyen Bac Truyen – stand ein Rechtsverteidiger zur Seite. Nach Beobachtung der IGFM wurden die Angeklagten benachteiligt. Über den Gerichtstermin wurde nur die Familie von dem Rechtsanwalt Nguyen Bac Truyen zehn Tage vor der Presse benachrichtigt. Die Familien von Le Nguyen Sang und Huynh Nguyen Dao erfuhren den Gerichtstermin per Presseberichte am 3. Mai und konnten in dem verbleibenden knappen Zeitraum von sieben Tagen keinen Rechtsanwalt finden. Nach der vietnamesischen Strafgesetzordnung hätte dem Verteidiger mindestens zehn Tage vor dem Gerichtstermin die Zulassung erteilt werden müssen. Laut Informationen der IGFM sind die Rechtsanwälte in Vietnam angehalten, sich nicht in politischen Prozessen zu engagieren. „Damit hat das Justizsystem in Vietnam grobe Verfahrensfehler begangen, vermutlich absichtlich um die Rechte der Angeklagten einzuschränken“, so die IGFM.

In der Verhandlung am 10. Mai wurde den Angeklagten Sang, Truyen und Dao vorgeworfen, Aktivitäten mit dem Ziel betrieben zu haben, die Führerschaft der Kommunistischen Partei Vietnams (KPV) zu beenden und ein pluralistisches Mehrparteiensystem einzufordern. Die Volksdemokratische Partei Vietnam schrieb auf ihrer Website, dass sie im Einklang mit der vietnamesischen Verfassung gehandelt habe und sie sich den Gebrauch des konstitutionellen Rechts auf Meinungsfreiheit nicht nehmen lasse.

Die drei Dissidenten waren im August 2006 zur gleichen Zeit mit dem vietnamesischen US-Bürger Do Thanh Cong verhaftet worden. Anfänglich war ihnen vorgeworfen worden, einen Terroranschlag auf den US-Generalkonsulat in Ho Chi Minh geplant zu haben. Do Thanh Cong, der später des Landes ausgewiesen wurde, berichtete, dass seine Partei Flugblätter verteilt habe, auf der die Nummer 4 weggekreuzt worden sei, was symbolisch für die Ablehnung der Monopolsführung der KPV stehe, die durch Artikel 4 der vietnamesischen Verfassung garantiert sei. Die vietnamesische Staatsanwaltschaft habe stattdessen einen versuchten Sprengstoffanschlag erfunden, da das US Generalkonsulat zufälligerweise die Hausnummer 4 habe.

In der Zwischenzeit sind aber die Staatszeitungen in Vietnam von dieser falschen Behauptung abgerückt und verbreiten, die Angeklagten hätten Dokumente mit Verleumdung des Staates und der Führung der regierenden Kommunistischen Partei Vietnams verbreitet. Sang und Dao sollen auch an dem Email-Rundschreiben mit dem Titel "Demokratischer Club" mitgewirkt haben. Truyen soll Informationen über Bürger gesammelt haben, die seit Jahren Beschwerden wegen Unrechtshandlungen geführt und ein Treffen mit dem US-Präsidenten Bush während seines Aufenthalts in Saigon in November 2006 geplant hatten.

Die IGFM ist sehr besorgt über die Prozesslawine gegen Dissidenten in Vietnam. Am 30. März wurde bereits der katholische Pfarrer Nguyen Van Ly wegen "Propaganda gegen die Sozialistische Republik Vietnam" zu acht Jahren Haft und fünf Jahren Hausarrest im Anschluß an der Haftstrafe verurteilt. Vier seiner Weggefährten erhielten insgesamt fünfzehneinhalb Jahre Haftstrafe. Am 11. Mai, und am kommenden Dienstag, den 15. Mai, werden die Rechtsanwälte Nguyen Van Dai, Le Thi Cong Nhan und Tran Quoc Hien wegen des gleichen Vorwurfs vor Gericht gestellt. In einer Petition vom 7. Mai 2007 hatten zehn vietnamesische evangelische Pastoren dazu aufgerufen, die Christen Nguyen Van Dai und Le Thi Cong Nhan freizulassen.