Interview mit Nam & Tram Nguyen, deutsches Manga-ka-Duo

Anlässlich der Leipziger Buchmesse trafen wir Nam & Tram Nguyen, die hier vor zwei Jahren den „Manga Talente" Wettberwerb gewannen und seitdem eine Karriere als Manga-ka verfolgen. Sylvia Einenkel sprach mit ihnen über ihren neuen Manga „Delilah´s Mystery", ihre Arbeit als Mangazeichner und über die verwirrende Tatsache, warum das erfolgreiche Duo bei zwei Verlagen ihre Werke veröffentlicht hat...

AnimePRO: Wir freuen uns, dass Ihr für das Interview Zeit gefunden habt und würden Euch gleich zu Beginn bitten, Euch unseren Lesern einmal näher vorzustellen.
Nam: Mein Name ist Fabian Nam Nguyen. Ich zeichne schon ziemlich lange; früher im Walt-Disney-Stil und richtig angefangen hat es mit dem Comiczeichnen dann Anfang der 90er Jahre, als die ersten Anime-Serien im deutschen Fernsehen anliefen. Also Saber Rider, Georgie und dergleichen.
Ich fing mit Abzeichnen an und, was dann jeder irgendwann macht, später eigene Charaktere zu entwerfen und Geschichten dazu auszudenken. Eine Zeit lang habe ich dann aber nur Illustrationen gezeichnet, bis Tram vorgeschlagen hat, beim "Manga Talente Wettberwerb" hier auf der Buchmesse mitzumachen.

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AnimePRO: Die Energie am Wettbewerb teilzunehmen kam also von dir, Tram?
Tram: Ja, immer! (lacht) Also ich bin Thuy Tram Nguyen und habe ziemlich spät angefangen zu zeichnen, aber Geschichten geschrieben und ausgedacht habe ich schon immer. Als ich mal in Frankreich war und meiner Cousine zugesehen habe, wie sie im Mangastil gezeichnet hat, habe ich sie sehr dafür bewundert und deswegen selbst angefangen zu zeichnen.
Bei mir war es die "Sailor Moon"-Welle, die mich dazu verleitet hat. Zunächst habe ich auch eher Illustrationen gezeichnet und dann eben Nam gefragt, ob wir nicht bei den "Manga Talenten" mitmachen, als wir gesehen haben, dass Nina Werner 2003 den 2. Platz belegt hat. Da wollten wir das auch versuchen!

AnimePRO: Mittlerweile ist ja bekannt, dass ihr beide zwar den selben Nachnamen habt, aber nicht miteinander verwandt seit. Der Nachname Nguyen ist in Vietnam etwa mit dem deutschen Meier oder Müller vergleichbar, oder?
Tram: Genau, oder Schneider, eben gebräuchliche Namen.

AnimePRO: Wie lange kennt Ihr Euch bereits?
Tram: Also wir kennen uns jetzt schon seit ungefähr sechs Jahren. In der AnimaniA, genauer gesagt in einer Special Ausgabe, hab ich seinen Namen gelesen, der meinem so ähnlich war. Durch Zufall habe ich dann seine Telefonnnummer bekommen. Und dann dachte ich mir, also gut, dann rufe ich einfach mal an.
Zunächst hatten wir nur telefonischen Kontakt und schließlich haben wir uns auch auf der Animagic im Jahre 2000 getroffen. So hat alles angefangen und wir begannen, gemeinsam Illustrationen zu zeichnen.
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Nam: Stimmt. Ich habe damals einige Illustrationen gezeichnet, an die AnimaniA geschickt und so sogar einen Sonderpreis bekommen. Dann kam eine Anfrage, ob ich nicht für das Fanart-Special der AnimaniA ein paar Zeichnungen machen möchte und mich dort vorstellen will.
Tram:  Durch die Bilder und den Namen bin ich eben auf ihn aufmerksam geworden.
Nam: Und dann kam noch der Zufall dazu, dass eine Zweigstelle von einem Comicladen in Heilbronn war, wo Tram wohnt, und in Pforzheim, wo ich herkomme. Und durch den Commicshop konnte der Kontakt durch unseren Nachnamen hergestellt werden.
Tram: Und dann war da noch meine Cousine, die auch in Pforzheim wohnte, die ich fragte, ob sie nicht jemanden kennt, der Fabian Nguyen heißt. Und wenige Tage später hat sie mir seine Nummer gegeben. Es waren also lauter kleine Zufälle (beide lachen). Wir wohnen ca. 100 km voneinander entfernt.

AnimePRO: Wie verläuft Eure Zusammenarbeit? Übernimmt einer speziell den zeichnerischen Part und der andere die Story, oder wird alles zusammen ausgearbeitet?
Tram: Also wir machen eigentlich alles zusammen...
Nam: Der eine hat eben da seine Schwerpunkte und kann das besser und der andere tut sich mit anderem leichter. Das ist sehr unterschiedlich. Eine konkrete Aufteilung der zeichnerischen Details, wie Hände, Haare oder so etwas gibt es aber nicht. Auch was die Geschichte angeht: Jeder von uns hat eben eine ganz bestimmte Szene, die ihm mehr liegt. Und es kam auch schon vor, dass wir unsere zwei Versionen dann zu einer gemacht haben (beide lachen).

AnimePRO: Gibt es da nicht hin und wieder Schwierigkeiten?
Nam: Der eine mag eben das und der andere etwas ganz anderes – das kommt schon vor.
Tram: Und wenn die Story zu kitschig wird, gibt es auch manchmal Probleme, da Nam nicht so auf Kitsch steht (lacht). Wir finden aber immer eine Lösung, mit der zwar beide nicht 100%ig zufrieden sind, aber die dennoch in Ordnung ist. Später, wenn wir uns die Bilder noch einmal ansehen, denkt man sich dann doch: sieht doch nicht so schlecht aus, du hattest Recht!
Nam: Das sich-einig-werden raubt uns leider die meiste Zeit.

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AnimePRO: Wie habt Ihr damals an eurem gemeinsamen „Manga Talente" Beitrag gearbeitet? Habt ihr Euch getroffen, um an der Geschichte zu arbeiten?
Tram: Ich bin zu dieser Zeit gerade wegen meinem Studium nach Karlsruhe umgezogen.
Nam: Ich studiere auch in Karlsruhe und so können wir uns heute problemlos zusammensetzen, um an unseren Manga zu arbeiten.

AnimePRO: Läuft euer Studium erfolgreich neben eurer Arbeit als Manga-ka?
Tram: Das Studium zieht sich schon in die Länge. Und ist natürlich auch anstrengend.
Nam: Man muss sich die Zeit eben einteilen, ob man nun lernt, oder zeichnet

AnimePRO: Euer Debüt fand zwar in Tokyopops „Manga Fieber" statt, aber Euer aktueller Manga wird in der Daisuki von Carlsen Comics veröffentlicht. Was hat Euch zu dem Verlagswechsel bewegt?
Nam: Eigentlich lief das gleichzeitig ab. Das heißt, die Anfragen der Verlage kamen zur selben Zeit. Es ist also kein Wechsel gewesen. Und da haben wir eben auch beides in Angriff genommen.
Tram: Zuerst wollten wir den Beitrag für Tokyopop machen, da das der Kürzere war. Und anschließend machten wir eben den für Carlsen Comics. Beide Verlage wussten, dass wir an zwei Projekten arbeiteten. Da gab es keine Probleme.

AnimePRO: Euer aktueller Manga „Delilah´s Mystery" ist ja nun bei Carlsen in der Daisuki erschienen. War es Euer Wunsch, in dieses Magazin zu kommen, oder hättet Ihr lieber einen eigenständigen Manga-Band veröffentlicht?
Tram: Es ist nicht schlecht, für ein monatliches Magazin zu zeichnen, da man damit eine größere Leserschaft erreichen kann und es etwas anderes wäre, als wenn Carlsen gesagt hätte „Ihr müsst einen Band in einem Monat fertig bekommen!". Das wäre sehr stressig gewesen!
Nam: Und man bekommt mehr Feedback von den Lesern. Und so sind auch Verbesserungen möglich.

AnimePRO: Christina Plaka erzählte uns letztes Jahr in einem Interview, dass sie ihr Manga „Prussian Blue" damals stilistisch sehr auf die Daisuki abstimmen musste. Traf das auch auf Euer Manga „Delilah´s Mystery" zu?
Nam: Also ich kann mich noch daran erinnern, dass uns damals gesagt wurde, wir sollen etwas anderes machen. Vom Zeichenstil und auch von der Geschichte her wurden wir nicht eingeschränkt
Tram: Die Geschichte ist auch etwas „härter", sage ich jetzt mal. Aus dem Konzept der Daisuki fällt sie aber nicht heraus, auch wenn mit unserer Story etwas Neues ausprobiert wurde.  Entschärft werden musste aber keine Szene.

AnimePRO: Habt ihr schon eine Idee, was Ihr nach „Delilah´s Mystery" machen wollt?
Tram: Ja, wir haben schon sehr viele Ideen. Wir wollen aber erst einmal sehen, wie die Geschichte ankommt.
Nam: Vielleicht werden wir wieder ein neues Konzept erstellen, um etwas Neues ausprobieren.

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AnimePRO: Ist „Delilah´s Mystery" im Vergleich zu dem, was Ihr zuvor gemacht habt, gravierend anders aufgebaut?
Tram: Also zu dem, was wir bei Tokyopop gemacht haben, schon. Auch die Zeichnungen haben sich verändert.
Nam: Jetzt sehen unsere Figuren und Zeichnungen sehr viel erwachsener aus, als zuvor, wo alles noch kindlicher wirkte.
Tram: Genau. Je nachdem, an was für einem Manga wir arbeiten, versuchen wir die Charaktere zu gestalten. Konkrete Zukunftspläne haben wir aber noch nicht und wir haben auch dem Verlag noch nichts vorgeschlagen.

AnimePRO: Um noch einmal auf Tokyopops „Manga Fieber" zurückzukommen: vor kurzem erschien Band 2 mit euren „Nachfolgern". Habt ihr den Band gelesen? Könnt ihr eine Kritik abgeben?
Tram: Also "Robin" von Natalie Wormsbecher finde ich ganz schön und Olga Rogalskis Geschichte "Die Robofisch-Entführung" vom Zeichenstil her auch. Rein vom zeichentechnischen her hat sich Band 2 wesentlich zum Vorgänger gesteigert.
Nam: Man merkt das auch an den Manga-Wettbewerben. Das Niveau ist einfach gestiegen.
Tram: Das stimmt; auch die Themen sind besser. Wenn das Thema Roboter und Technik wäre, würden bestimmt einige Leute scheitern, weil ihnen das Thema einfach nicht liegt.

AnimePRO: Wie würdet Ihr heute Euren „Manga Fieber"-Beitrag bewerten?
Tram: Wir würden vieles anders machen, das ist natürlich auf die Erfahrungen, die wir im letzten Jahr gewonnen haben, zurückzuführen. Zum Beispiel die Raster: So, wie wir sie damals einsetzten und wie sie wirkten, konnten wir das unmöglich weiterführen und auch die Linienführung gefällt uns nicht mehr. Es hat sich zeichentechnisch ziemlich viel bei uns geändert.

AnimePRO: Wie viel Zeit habt Ihr pro Tag, die Ihr für das Zeichnen investieren könnt?
Tram: Das kommt darauf an. Wenn viel zu tun ist und Prüfungen anstehen, zeichnen wir immer sehr, sehr wenig. Da kommt es schon mal vor, dass gar nicht gezeichnet wird oder maximal eine Stunde am Tag. In den Semesterferien kommen wir dann aber dazu, das Versäumt aufzuholen und können den ganzen Tag zeichnen.

AnimePRO: Was könnt Ihr Hobby-Manga-ka raten, um ihr Talent zu schulen?
Tram: Also, ganz klar, üben und bei Wettbewerben mitmachen. Letztes ist gut, um Aufmerksamkeit zu erlangen.
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Nam: Und so kann man sich mit anderen messen. Auch um zu sehen, ob man zu den besten gehört und so die Chance bekommen kann, einen eigenen Manga herauszubringen. So merkt man auch besser, wie gut man ist und wo man noch Verbesserungen anbringen muss.
Tram: Auch Selbstdisziplin ist wichtig und dass man die Realität nicht aus den Augen verliert. Ich befürchte, dass gerade dieser Realitätsverlust vielen passieren kann. Viele Leute trauen sich auch nicht professionell zu Zeichnen, weil sie denken, sie seien zu schlecht.
Man braucht nicht unbedingt einen Verlag, um seinen Manga zu veröffentlichen, denn wenn man genug Ehrgeiz hat, kann man auch am Doujinshi-Stand vieles erreichen und seine Manga den Leuten präsentieren. Dadurch ist dann auch das Interesse von anderen da und man kann sich leichter bewerben. Es gibt viele Möglichkeiten.

AnimePRO: Was haltet ihr von Zeichnerplattformen wie die von „Animexx"? Auch dort kann man seine Bilder einer großen Fangemeinde präsentieren...
Tram: Die Möglichkeit Kommentare und Bewertungen zu schreiben, finde ich bei Animexx sehr gut. Auch die Zeichenzirkel sind eine gute Idee. Wir haben nur leider zu wenig Zeit, um jeden Tag einmal reinzuschauen und unser Gästebuch zu checken.
Nam: Wir sind durch unsere Nicknames relativ unbekannt dort, was uns nicht allzuviele Fan-ENS beschert.

AnimePRO: Wollt Ihr auch weiterhin Mangas zeichnen, oder doch hauptberuflich eine andere Richtung einschlagen?
Tram: Wir würden schon gerne weiter Mangas zeichnen. Es ist unser Hobby und es macht riesig Spaß. Wenn die Verlage Interesse daran haben, wieso auch nicht. Es ist wichtig, dass man, wenn man etwas gerne macht, dran bleibt und es nicht halbherzig fortsetzt. In dem Umfang, ein Kapitel pro Monat, wie wir es zur Zeit betreiben, ist es machbar und auch nicht zu anstrengend.

AnimePRO: Wir bedanken uns für das interessante Gespräch und wünschen Euch beiden noch alles Gute auf Eurem weiteren (Schaffens-)Weg!


Quelle: www.animepro.de
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