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“Dieses Foto hat ihn zurückversetzt”


Vietnamesischer Flüchtling findet sich in einem CBC-Artikel über Boat People wieder
 
Andy Huynh war einer von tausenden vietnamesischen Flüchtlingen, die in den späten 70er Jahren von kanadischen Diplomaten auf Foto festgehalten wurden.

Manchmal kann ein altes Foto die Gedanken in die Vergangenheit versetzen und Erinnerungen und unerwartete Emotionen hervorrufen. Dies widerfuhr dem 55-jährigen Andy Huynh, als er eine E-Mail mit einem CBC News-Artikel von seiner Schwester bekam. Der Bericht handelte von kanadischen Visa-Beamten, die in Südostasien dabei halfen zehntausende von vietnamesischen Boat People nach Kanada zu holen.

Ein Foto im Bericht zeigte den Einwanderungsbeamten John McEachern beim Interviewen von einer Gruppe von Teenagern im Galang Flüchtlingscamp in Indonesien in 1980. Der Jüngste unter ihnen trug ein gestreiftes T-Shirt und starrte mit einem Ausdruck von Unschuld und Neugier zugleich direkt in die Kamera.

Link zum Foto im Originalartikel: http://www.cbc.ca/news/canada/photo-sparks-memories-vietnamese-boat-person-1.4190997

Dieser Junge war Huynh. Er war 17 zu der Zeit.

„Ich war verzückt als ich mich auf dem Foto sah“, erzählt Huynh bei sich daheim in Winnipeg.

„Ich hätte nie gedacht, dass ich ein Foto von mir aus dieser Zeit zu Gesicht bekommen würde. Ich wusste nicht, dass es überhaupt existierte. Auf dem Foto waren auch mein Bruder und meine Cousins. Wir führten gerade ein Einwanderungsgespräch. Mein Englisch war nicht gut. Und ich erinnere mich an das gestreifte Shirt. Es war von UNICEF.“

In jener Zeit im Juni 1979 flüchteten Huynh und sein älterer Bruder Hung mit über 200 anderen Menschen in einem klapprigen Boot in Richtung Indonesien aus Vietnam. Sie gehörten zu den über 800.000 Boat People, die in den Jahren nach 1975, als Südvietnam in die Hände der Kommunisten gefallen war, das Land verließen.

„Wir waren vier bis fünf Tage auf See. Piraten haben uns gejagt, doch sie haben uns nicht gekriegt. Es war eine schreckliche Bootsfahrt. Wir lagen dicht beieinander, Schulter an Schulter. Als wir auf hoher See waren, haben sich die Leute übereinander erbrochen“, sagt er.

„Doch unser Boot galt noch als eins der Boote, die Glück hatten.“

Tausende von Boat People ertranken als ihre Schiffe unterwegs beschädigt wurden und im Südchinesischen Meer versanken. Auch haben Piraten viele Flüchtlinge beraubt und die Frauen vergewaltigt.

Huynhs Boot wurde von der indonesischen Polizei zur Insel Galang abgeschleppt. Im dortigen Flüchtlingscamp warteten die Ankömmlinge auf ihr Umsiedlungsgespräch. Da die Lebensbedingungen schlecht waren, kamen sie mühevoll über die Runden.

„Wir haben ein Dach aus Kokosnussblättern für 100 US-Dollar gekauft. Um Wasser zu holen, mussten wir über eine Meile laufen“, erzählt Huynh.

Nach Aussage seiner 23-jährigen Tochter Jessica, die Kultur- und Kreativwirtschaft an der Ryerson Universität in Toronto studiert, sind diese Geschichten für Huynhs vier Kinder wahre Enthüllungen. Sie sagt, dass ihr Vater selten über seine Zeit als Flüchtling gesprochen habe als sie in Winnipeg aufwuchsen.

„So viel wie dieses Mal, hat er uns noch nie erzählt“, verrät Jessica. „Dieses Foto hat ihn zurückversetzt. Es hat ihn darüber nachdenken lassen, was er durchgemacht hatte.“

Sie sagt, dass das Foto auch sie fasziniere.

„Er guckt direkt in die Kamera, starrt vielmehr, und genau in diesem Moment wird sein Schicksal bestimmt.“

Mit McEacherns Bewilligung waren Huynh und sein Bruder nun staatlich geförderte Flüchtlinge und sie stiegen ins Flugzeug – zuerst in Richtung Edmonton und danach Winnipeg, wo sie schließlich auch blieben. Andere Familienmitglieder kamen später nach Kanada nach.

Huynh nahm diverse Fabrik-Jobs an. Er und seine Frau, die auch ein vietnamesischer Bootsflüchtling ist, haben hart gearbeitet um deren Kindern ein sicheres und angenehmes Leben bieten zu können.

„Ich habe jeden Penny, den ich konnte, gespart. Sonderwünsche konnte ich mir nicht leisten“, sagt Huynh.

Wie viele andere Kinder hätte Jessica nichts von dem beschwerlichen Leben, welches ihre Eltern aufgrund der Flucht geführt hatten, gewusst.

„Wenn ich kein Abendessen essen wollte, dann hat mein Dad immer gesagt: ‚Du solltest dafür dankbar sein! Es gab Zeiten, in denen wir nicht genug zu essen hatten‘.“

Sie denke, das gebrochene Englisch, was ihr Vater sprach als er nach Kanada gekommen war, habe seine Arbeitsaussichten begrenzt.

„Er ist sehr klug”, stellt Jessica fest. „Ich habe ihn einmal gefragt, was er arbeitstechnisch gerne gemacht hätte, wenn die Sprache kein Hindernis wäre. Seine Antwort war: ‚Ich wollte schon immer Wissenschaftler werden‘.“

Huynh und seine Frau haben hart gearbeitet um alle ihrer vier Kinder durchs Studium zu bringen.

„Es macht ihn sehr stolz uns auf der Universität zu sehen“, sagt Jessica.

Ihr Bruder ist vor kurzem fertig geworden.

Wie viele andere ehemalige Boat People, hat Huynh Vietnam mehrere Male besucht.

„Ich habe nicht mal meine Heimatstadt wiedererkannt“, sagt er.

Jessica sagt, ihr Vater sei dabei seine alten Freunde aus der Kindheit wiederzufinden. Er habe mit denen, die er gefunden hat, Fotos ausgetauscht.

„Ich lebe im digitalen Zeitalter und ich kann einfach alles googlen“, sagt sie. „Wenn ich etwas über ein anderes Land wissen möchte, dann brauche ich nur einen Knopf zu drücken. Ich kann mir nicht einmal vorstellen, wie es für meine Eltern gewesen sein muss, in ein anderes Land zu ziehen und alles und jeden, den sie gekannt hatten, zurückzulassen. Ich schätze das Leben jetzt viel mehr.“

Wenn dieses 38 Jahre alte Foto eines Jungen in einem gestreiften T-Shirt schmerzhafte Erinnerungen in Huynh hervorrufen, dann hält er sie im Innern zurück. Neulich hat er mit Jessica über das Foto gesprochen. Er verlor keine Worte über die harten Umstände seiner Vergangenheit, stattdessen sah er etwas viel Hoffnungsvolleres.

“Es ist echt verrückt”, sagt er zu Jessica. „Ich schaue in das Foto und ich sehe dich.“

Seine Reise war für die ganze Familie von entscheidender Bedeutung.

„Beim Anschauen des Fotos wird ihm klar, wieviel er erreicht hat“, erzählt Jessica.

„Und wir sagen ihm immer: ‚Wir sind sehr stolz auf dich‘“.


Quelle:
http://www.cbc.ca/news/canada/photo-sparks-memories-vietnamese-boat-person-1.4190997