Wie Henry Kissinger Südvietnam schon 1973 verkaufte


VON KHƯƠNG HỮU ĐIỂU

Der 30. April 1975 markiert den Untergang Saigons, als Nordvietnamesische kommunistische Truppen mit ihren sowjetischen T-54 Panzern die Tore des südvietnamesischen Unabhängigkeitspalastes durchbrechen. Seitdem wurde die schöne 300 Jahre alte Stadt Saigon in Ho Chi Minh Stadt umbenannt, eine gute Nachahmung um Orte wie Leningrad oder Stalingrad zu übertreffen. Noch viel schlimmer ist, dass der Norden und Süden unter kommunistische Herrschaft gekommen sind, was mit dem neuen Etikett „Sozialistische Republik Vietnam“ verpackt wurde.
 
Heutzutage ist eindeutig bekannt, dass der Zusammenbruch Südvietnams im Jahr 1975 ein Ergebnis der Verhandlungen der Pariser Gespräche vom 27. Januar 1973 ist, die von Dr. Henry Kissinger, seinerzeit nationaler Sicherheitsberater unter Präsident Richard Nixon, als diplomatisches „Meisterwerk“ gefeiert wurden.

In Wirklichkeit hatte Henry Kissinger schon lange vor den Pariser Gesprächen die Entscheidung getroffen Südvietnam, das seit Mitte der 1950er Jahre auch als Außenposten der freien Welt bezeichnet wurde, aufzugeben. Freigegebene Dokumente haben aufgedeckt, dass während eines Treffens im Februar 1972 mit Zhou und Mao Henry Kissinger die Spitze der chinesischen kommunistischen Führung informierte, das die Vereinigten Staaten mit einem großen kommunistischen Land wie Chinaleben könnten, aber auch ein kleines kommunistisches Land wie Vietnam.

henry kissinger

Kissinger musste nicht lange warten bis seine Prophezeiung eintraf. Nicht einmal ein Jahr später in den Pariser Gesprächen von 1973 ebnete er den Weg Südvietnams unter kommunistische Herrschaft zu geraten. Nach den Bestimmungen der Pariser Gespräche bestand die konkrete und maßgebende Grundlage für die USA darin, die Intervention im Vietnamkonflikt zu beenden und die gesamte Einstellung der Militärhilfe, die für Südvietnams nationale Verteidigung lebensnotwendig war.

Südvietnams Präsident Nguyen Van Thieu war sicherlich kein geopolitischer Fachmann vom Kaliber Kissingers, aber er war sofort in der Lage die katastrophalen Konsequenzen aus den Pariser Gesprächen für Südvietnam zu sehen und weigerte sich energisch, dass seine Regierung das Abkommen unterzeichnen sollte. Präsident Thieus Unnachgiebigkeit und die Forderung nach vielen grundlegenden Änderungen in dem Entwurf zog sich hin und innerhalb von drei Monaten kam es zu keinem Ergebnis.

Mitte Januar 1973 ließ Henry Kissinger über Präsident Nixon mehrere Briefe an Präsident Thieu schicken mit der Aussage, dass die US-Regierung das Abkommen der Pariser Gespräche mit oder auch ohne die Saigoner Regierung unterzeichnen würde. Zwischen den Zeilen gelesen bedeutet es, dass die Vereinigten Staaten die Regierung in Saigon fallen ließen und fristgerecht aus Vietnam gehen.

Präsident Thieu hatte nicht die Wahl und akzeptierte das Pariser Abkommen, forderte aber von Präsident Nixon eine „schriftliche Garantie“, dass die USA starke militärische Handlungen ausführen, falls Hanoi gegen die Vereinbarungen verstoße.Der Brief mit der schriftlichen Garantie war, wie es uns die Geschichte gezeigt hat, „für die Katz“.

Henry Kissinger und Le Duc Tho 1973, Paris


Dank der Pariser Gespräche verstand das kommunistische Regime in Hanoi, dass die USA nicht nochmal im Vietnamkonflikt intervenieren würden oder militärische Hilfe für Südvietnam gewähren würden. Während dieser Zeit erhielt Hanoi von der Sowjetunion militärischen Nachschub, der etwa viermal so groß war, verglichen mit den Mitteln, die während der Hochphase der amerikanischen Militärintervention geliefert wurden.

Nach zwei Jahren intensiver Vorbereitungen begann Hanoi seine „Ho Chi Minh Kampagne“ im März 1975 mitquasi der gesamten Armee (15 Einheiten) an der Demilitarisierten Zoneam 17. Breitengrad loszuschlagen. Südvietnamesische Truppen konnten kaum etwas entgegensetzen, da sie wenig Munition und Treibstoff zur Verteidigung ihres Landes und der freien Welt hatten. Die letzte große militärische Offensive Nordvietnams gegen Südvietnam dauerte nur 55 Tage und natürlich gab es nicht viel Gegenwehr durch die notleidenden Truppen Saigons.

Die Geschichte hat auch gezeigt, was nach dem Untergang Saigons geschah. Mehr als eine Million Soldaten und Beamte des öffentlichen Dienstes der südvietnamesischen Regierung wurden ohne Gerichtsverhandlung ins Gefängnis gesteckt. Einige für fünf, andere für zehn und noch andere für 20 Jahre. Selbstverständlich starben auch noch zehntausende in den harten Arbeitslagern. Ihre Familien wurden von ihrem Eigentum beraubt und von ihren Häusern in die so genannten „neuen Wirtschaftszonen“ verjagt, um dem schieren Elend entgegenzusehen. Ihre Kinder durften nicht zur Schule. Das Recht auf Privateigentum existierte nicht mehr und der einzige Arbeitgeber war der Staat.

Der Niedergang Saigons 1975 war nicht nur ein Problem politischer Strategie oder militärischer Taktik, es war vielmehr eine Sache von Moral und Ethik im Weltgeschehen. Die vergangenen Jahrzehnte kommunistischer Herrschaft in Vietnam hat den Menschen in Vietnam, sowie in den USA, ermöglicht die wahren Absichten und Eigenschaften des Vietnamkrieges zu verstehen. Südvietnam und sein großer amerikanischer Alliierter kämpften für die Verteidigung von Freiheit und Demokratie gegen Hanoi und seinen mächtigen kommunistischen Verbündeten, die Südvietnam durch Waffengewalt unterwerfen wollten.

Die Wahrheit ist nun für jeden deutlich, der all die Lügen und Täuschungen sieht, die Hanoi während des Vietnamkrieges verbreitete.

In den letzten Jahrzehnten waren die Vietnamesen gezwungen im Kommunismus zu leben. Vietnam steht an 14. Stelle in der Welt bei einer Bevölkerung von 90 Mio., aber ist auch eines der ärmsten und repressivsten Staaten auf der Welt, das geprägt ist von eklatanten Menschenrechtsverletzungen, weitverbreiteter Korruption und unerhörtem Machtmissbrauch in einem totalitären Regime.

Eine Frage verfolgt seit mehr als 40 Jahren viele Vietnamesen: „Wäre alles durch Dr. Henry Kissinger und den mächtigen Vereinigten Staaten möglich gewesen einen Weg zu finden Nordvietnam daran zu hindern Südvietnam durch Waffengewalt zu übernehmen?“

Trotz seines hohen Alters ist Kissinger immer noch sehr politisch aktiv, so reiste er 2015 nach China. Peking erwies ihm mit großem Brimborium die Ehre und XiJinping erinnerte sein Volk daran, dass Kissinger ein großer Freund Chinas seit dem Treffen mit Zhou Enlaiund Mao Zedong im Februar 1972 sei.

Was für die Welt offensichtlich sein sollte ist, dass solange die kommunistischen Führer in Peking weiterhin Kissinger mit Lob häufen, so ist die „Weltordnung“, wie er es in einem neuerschienenen Buch erklärte, wohl ganz im Sinne Chinas.

China ist heute eine angesehene führende Großmacht, wirtschaftlich und militärisch. Henry Kissinger fordert, dass China und Amerika die besten Freunde für die Ewigkeit werden sollten. Vielleicht kann Kissinger damit punkten und erhält dadurch seinen zweiten Nobelpreis als „Friedensstifter“, dieses Mal für die ganze Welt, nicht nur für Vietnam, als er 1973 den Nobelpreis bekam! Man muss sich nur daran erinnern, dass Kissingers Co-Preisträger, Le Duc Tho, sich weigerte die Auszeichnung anzunehmen, da das Pariser Abkommen faktisch schon ein Sieg für Hanoi und die kommunistische Seite war.

Die Art, wie es Henry Kissinger gelang den Vietnamkrieg zu beenden, war eine Tragödie für die Vietnamesen und ein bedauerliches Stigma in der 200-jährigen Geschichte der amerikanischen Nation. Es war eine noch nie dagewesene Zeit, wo die Vereinigten Staaten von Amerika ihr Versprechen nicht einlösten und ihrer Verpflichtung den Verbündeten im Angesicht des Feindes zu verteidigen nicht nachkamen.

Kurzgesagt, wenn man nicht weißt, wie man den Sieg für die eigene Seite sicherstellen und das Fortschreiten des Feindes nicht aufhalten kann, dann muss man kein Genie in Geopolitik sein, um den Menschen zu sagen: „Wenn man sie nicht besiegen kann, dann schließ dich ihnen an“ – was einfach nur heißt: „wirf das Handtuch.“


KhươngHữuĐiểu, 84, hat einen Abschluss an der MIT, er war Abgeordneter der südvietnamesischen Regierung und lebt seit 40 Jahren in San Francisco.


Quelle:
http://www.mercurynews.com/opinion/ci_28013567/kissingers-betrayal-he-sold-out-south-vietnam-1973