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Fremde Töne in Sankt Andreas

 
REUTLINGEN. Vietnamesen zählen in Deutschland zu einer Minderheit. Aber an Ostern fülllen sie locker eine Kirche. In St. Andreas in Orschel-Hagen trafen sich von Gründonnerstag an hunderte Mitglieder der vietnamesischen Gemeinde der Diözese Rottenburg-Stuttgart zur Feier des Osterfestes: Sie bewältigen ein Mammutprogramm und leben die christliche Gemeinschaft.
Ostern - Vietnamesische katholische Gemeinde feiert Auferstehung Christi mit Gästen aus Diözese Stuttgart Rottenburg

VON DIETER REISNER

REUTLINGEN. Vietnamesen zählen in Deutschland zu einer Minderheit. Aber an Ostern fülllen sie locker eine Kirche. In St. Andreas in Orschel-Hagen trafen sich von Gründonnerstag an hunderte Mitglieder der vietnamesischen Gemeinde der Diözese Rottenburg-Stuttgart zur Feier des Osterfestes: Sie bewältigen ein Mammutprogramm und leben die christliche Gemeinschaft.

Gemeinsames Essen steht dabei im Mittelpunkt. Seit fünf Jahren ist der Reutlinger Stadtteil Treffpunkt der asiatischen Christen in der Karwoche wie zu den Auferstehungsfeiern. Sie kommen aus dem gesamten Gebiet der Diözese Stuttgart-Rottenburg. Bis dahin wechselten im Jahreslauf die Veranstaltungsorte.

»Die Andreaskirche bietet genügend Raum für die vielen Gläubigen, und es gibt keine zeitlichen Konflikte mit der angestammten Gemeinde«, erklärt Bui Thuong Luu. Der katholische Seelsorger kümmert sich als Priester seit 1991 um seine vietnamesischen Landsleute. »Sie sind sehr fromm.« Zudem unterstützt Andreaskirchen-Pfarrer Richard Kappler die Vietnamesen. »Er hat immer ein offenes Ohr für uns.«

Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein ganz normaler katholischer Gottesdienst. Der Altar, die Kerzen, die Soutane des Priesters, der Weihrauch: Alles wie gehabt und bei westlichen Christen üblich. Nur die Gesichter und die Sprache sind fremd. Aber zwei Worte versteht selbst der westliche Beobachter: Amen und Halleluja. »Es ist sehr feierlich bei uns. Aber ansonsten unterscheidet unseren Gottesdienst nichts von denen der westlichen Christen«, so Bui Thuong Luu. Rund zehn Prozent des asiatischen Volkes sind Katholiken. Der Rest folgt einer Mischung aus Buddhismus, Konfuzianismus und Ahnenverehrung, so der 63-Jährige.

Wie die rund 2 500 anderen Mitglieder der Gemeinde kam auch Pfarrer Bui, der den westlichen Vornamen Stephan trägt, als Flüchtling nach Deutschland. »Boat people« nannte man die Menschen, die Mitte der Achtziger Jahre ihr Land verließen. Damals, bei der großen Flüchtlingswelle aus Asien, organisierte auch der Priester ein Flüchtlingsboot. Etwa 100 000 Menschen verließen in dieser Zeit ihre Heimat. Das Schiff Cap Anamur sorgte mit spektakulären Rettungen für Schlagzeilen. Heute steht der Name für eine weltweit operierende Hilfsorganisation.

»Feierlichkeiten helfen, die eigene Identität wiederzufinden«

Die Feierlichkeiten zu Ostern gestalten sich bei den Vietnamesen nicht nur durch Gottesdienste. Lange vor der Auferstehungsfeier beginnen die Zeremonien. An Gründonnerstag und Karfreitag zählten auch Meditationen zum Programm. Dafür hatte die Gemeinde den Franziskaner-Mönch Nguyen Tien Dung eingeladen, der in Frankreich in einem Kloster lebt.

Vor dem Entzünden des Osterlichtes und der Messe trafen sich die rund 300 Mitglieder zum Vorgottesdienst, bei den der Franziskaner-Pater die Exerzitien abhielt. »Das alles ist sehr wichtig für die Menschen, weil sie sehr gläubig sind«, erklärt Pfarrer Bui.

Zwischenzeitlich lebt die zweite Generation hier und versucht sich im Spagat aller Zuwanderer: der Integration ins Gastland und dem gleichzeitigen Bemühen, die eigene Traditionen nicht zu vergessen. »Da helfen solche Feierlichkeiten, ein wenig die eigene Identität wieder zu finden«, so Pfarrer Bui. (GEA)


Quelle: gea.de