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No-U FC: Das Ziel ist nicht das Spielfeld, sondern Politik


Aus dem Original von Simon Denyer und Xu Yangjingjing, Washington Post

HANOI – Sie kamen zusammen, um gegen Chinas Gebietsbeanspruchungen im Südchinesischen Meer zu protestieren. Sie wurden von der vietnamesischen Polizei schikaniert und dutzende von ihnen verhaftet. Der Versuch sich im Café zu treffen blieb ihnen verwehrt, deshalb kamen sie auf eine innovative Idee.

„Dem Gesetz nach hat jeder das Recht Fußball zu spielen; auf diese Weise können wir uns alle treffen“, erklärte der Aktivist und Blogger Nguyen Chi Tuyen.

Seit vier Jahren treffen sich jeden Sonntag dutzende von Spielern und Unterstützern des No-U FC in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi zum Fußballspielen und um über Politik zu reden. Sie haben sich für politische Kampagnen und gemeinnützige Initiativen zusammengeschlossen.

no u fc

In dieser Phase haben sie den Grundstein für eine kleine aber wachsende Bürgerbewegung in Vietnam gelegt, die für die regierende Kommunistische Partei eine neue Herausforderung ist.

Das Kürzel „No-U” bezieht sich auf den Widerstand der U-förmigen „Nine-Dash-Line“, ein in neun Segmente abgestecktes Territorium, das die größten Teile des Südchinesischen Meers umfasst und von der Volksrepublik China beansprucht wird.

Wie viele andere Vietnamesen ärgern sie sich, dass China die Kontrolle über die Paracel-Inseln nach einem Krieg mit Südvietnamesischen Streitkräften 1974 erlangt hat, gefolgt von der Schikane gegenüber vietnamesischen Fischern und dem kürzlich gestarteten Landgewinnungsprogramm im Spratly-Archipel. Aber die Wut sitzt noch viel tiefer.

„Am Anfang versammelten wir uns wegen China. Aber wir wissen, dass das Problem nicht China, sondern unsere Regierung ist. Die Regierungen in Vietnam und China sind dieselben Kommunisten – sie sind miteinander verbunden“, sagte ein Spieler, der sich nur Duc nannte, um Ärger mit der Polizei zu vermeiden.

Der Club zählt nun landesweit mehrere hundert Mitglieder. Einige wurden verhaftet – aktuell sitzen zwei im Gefängnis. Aber andere haben eine große Gefolgschaft auf Facebook.

Während der Feier zum vierjährigen Jubiläum des No-U FC gingen in einem Restaurant, das gebucht wurde, plötzlich die Lichter aus und eine Gruppe von Männern stürmte in das Lokal. Sie warfen mit Flaschen und schmissen die Tische um, mit dem Ziel die Mitglieder von No-U einzuschüchtern.

30. 10.2015 – Ein Schlägertrupp verwüstet das Lokal in Hanoi


Eigentümer von Fußballplätzen sind unter Druck geraten dem No-U FC die Spielerlaubnis zu entziehen. So wurde ein ganzes Turnier abgesagt, als die Polizei herausfand, dass der Club unter den Teilnehmern war.

Aber der größte Effekt werde außerhalb des Fußballplatzes erzielt, erzählten die Mitglieder.

Um Beziehungen zu den Leuten im Alltag herzustellen, haben sie Schulen in armen ländlichen Gebieten aufgebaut und Bauern unterstützt, die von ihrem Land aufgrund von Gewerbegebieten vertrieben wurden.

Im März 2015 machten sie von sich reden, als sie eine Aktion gegen die Regierung starteten, welche plante tausende von Bäumen in Hanoi zu fällen. Durch den großen öffentlichen Druck stellte die Stadtregierung das Vorhaben ein.

Im November 2015 gingen mehrere Mitglieder des No-U FC auf die Straße, um gegen den Besuch des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping zu protestieren.

Wie Mitglieder des No-U FC beschreiben, sind alle Probleme verwoben. Die Kommunistische Partei Vietnam verteidige nicht die nationalen Interessen im Südchinesischen Meer, weil ihre eigene Macht von Chinas kommunistischen Führern abhängig sei.

„Die Menschen, die ihre Stimme gegen China erheben… es geht aber nicht nur um China, sondern unser Ziel ist Demokratie, eine Mehrparteien-Demokratie, Freiheit und eine mehr gleichberechtigte Gesellschaft“, erklärte eine Frau von No-U, die sich als Tuyet ausgab.

Vietnams kommunistische Regierung unterdrückt mit aller Härte abweichende Meinungen und obwohl 2015 während der TPP Verhandlungen mit den USA etwa 50 politische Gefangene entlassen wurden, sind immer noch nach Angaben von Freedom Now 150 Personen hinter Gittern.

Aber die Zeiten ändern sich und die Zivilgesellschaft wächst, ca. 45. Mio. Menschen, also 50% der Bevölkerung sind im Internet unterwegs. Bei den jungen Vietnamesen ist Facebook extrem populär.

Michael Gray erklärte zu einer Studie der kanadischen Denkfabrik SecDev über das vietnamesische Internet: „Der langwierige Versuch des Staates die öffentliche Meinung zu formen bröckelt, aufgrund der Realität in einer relativ offenen Online Umgebung.“

Nach Angaben von Reporter ohne Grenzen haben körperliche Attacken gegenüber Dissidenten und Bloggern stark zugenommen, es sitzen momentan 14 „Bürgerjournalisten“ im Gefängnis.

Tuyen sagte, dass er im Mai 2015 von Zivilbeamten des Sicherheitsapparats sehr schwer zusammengeschlagen wurde.

Die Regierung gab ihren Versuch Facebook zu blockieren auf, der 2009 gestartet war, aber leicht umgangen werden konnte. Gray äußerte sich, dass soziale Medien Brücken zwischen den Dissidenten und der allgemeinen Bevölkerung bauen.

Im Januar 2015 gestand Ministerpräsident Nguyen Tan Dung ein, dass ein Verbot von Facebook unmöglich sei, weil es so stark genutzt werde. Er wandte ein, dass die Regierung bessere Arbeit leisten müsse, um ihre Informationen zu vermitteln.

In diesem Umfeld hat No-U FC andere Menschen inspiriert kleine zivilgesellschaftliche Gruppen in ganz Vietnam zu gründen. Die nicht erfassten Gruppen kümmern sich um alles, wie Eigentumsrechte von Ländereien und plädieren für die Entlassung politischer oder religiöser Gefangener. Die Mitglieder dieser Gruppen werden häufig durch die Regierung schikaniert. Die vietnamesische Regierung geht davon aus, dass 60 Gruppen mit hunderten Mitgliedern existieren.

„Wir versuchen unsere Ansichten auf Facebook zu verbreiten, um die anderen aufzuwecken. Viele Leute kümmern sich nicht um Politik, aus Angst vor der Kommunistischen Partei und dass diese sie ins Gefängnis steckt. Wir versuchen zu beweisen, dass wir keine Furcht haben. Die Zahl der Menschen, die sich mit Politik befasst, wächst“, sagte Duc.

Anwalt und Dissident Le Quoc Quan berichtete, dass über 300 Leute zu seinem Haus kamen, um ihn zu besuchen, nachdem er im Juni 2015 aus der Haft entlassen wurde. Darunter war auch eine Abordnung vom No-U FC und fünf Regierungsbeamte, trotz einer permanenten 24 Stunden Überwachung von Polizeikräften.

„Warum die Leute keine Angst hatten zu kommen? Weil sie die Kommunikationsmittel haben“, erzählte der Anwalt.

Öffentliche Meinungsumfragen des Pew Forschungszentrums ergaben, dass die Vietnamesen überwiegend eine freie Marktwirtschaft bevorzugen, aber nur 38% sich für eine Mehrparteien- Demokratie in ihrem Land aussprechen

Doch die Dissidenten gewinnen an Zugkraft und die Wut über China, die sie aufgegriffen haben, ist ein mächtiges Thema, das die meisten in Vietnam eint. In der Fußballsprache würde man sie als mutige Außenseiter bezeichnen, die daran glauben den Sieg trotz aller Widerstände zu erreichen.

„Die bürgerliche Gesellschaft ist klein, zerbrechlich und das Wachstum ist langsamer, als ich erwartet habe. Aber ich bin sehr optimistisch, man kann nicht sagen, wann der Kipppunkt erreicht wird“ sagte Nguyen Quang A, ein bekannter Dissident, Intellektueller und Mitglied des Bürgerforums, das No-U FC anerkennt und andere ermuntert den gleichen Pfad einzuschlagen.


Mehr von No-U FC
https://www.facebook.com/No-U-FC-355739044456658/


Quelle:
https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/a-soccer-team-in-vietnam-doubles-as-a-club-for-dissidents/2015/12/19/4bed4fef-4eab-4940-841d-fcecec107440_story.html