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Oppositionelle unter Druck

Kritische Rechtsanwälte verhaftet – Haftandrohung gegen Dissidenten – Familien sollen Dissidenten zur Raison bringen – Prozeßbeginn gegen katholischen Pfarrer Nguyen Van Ly am 30. März 2007

Hanoi - Frankfurt/M. (23. März 2007) – Der bekannte katholische Pfarrer Nguyen Van Ly, der wegen seines Einsatzes für Menschenrechte bereits 15 Jahre in Haft war, ist erneut wegen "Propaganda gegen die Sozialistische Republik Vietnam" nach Art. 88 des vietnamesischen StGB angeklagt worden.
Kritische Rechtsanwälte verhaftet – Haftandrohung gegen Dissidenten – Familien sollen Dissidenten zur Raison bringen – Prozeßbeginn gegen katholischen Pfarrer Nguyen Van Ly am 30. März 2007

Hanoi - Frankfurt/M. (23. März 2007) – Der bekannte katholische Pfarrer Nguyen Van Ly, der wegen seines Einsatzes für Menschenrechte bereits 15 Jahre in Haft war, ist erneut wegen "Propaganda gegen die Sozialistische Republik Vietnam" nach Art. 88 des vietnamesischen StGB angeklagt worden. Das Strafmaß sieht von drei bis zu 20 Jahren Haft vor. Der Prozess gegen ihn beginnt am 30. März 2007. Der Vorsitzende der Allianz für Demokratie und Menschenrechte, Do Nam Hai, hatte am 16. März ein erzwungenes Geständnis "für fehlerhaftes Verhalten, weil er sich politisch engagiert hat" abgegeben, nachdem seine Eltern, seine Schwester und seine minderjährige Tochter von der Polizei massiv unter Druck gesetzt wurden. Der stv. Vorsitzende der "Unabhängigen Gewerkschaft Vietnams", Le Tri Tue, wurde bei einem Überfall am 15. März krankenhausreif geschlagen. Er konnte einen der Täter als die Person identifizieren, der ihn 2006 verhaftet hatte. Zwei Mitgliedern des "Komitees für Menschenrechte in Vietnam" droht die Verhaftung, falls ihre Eltern sie nicht im wörtlichen Sinne "züchtigen". Mit der Verhaftung der drei führenden Rechtsanwälte der Opposition, Le Quoc Quan, Nguyen Van Dai und Le Thi Cong Nhan, zwischen dem 6. und 8. März sind faire Prozesse gegen die verhafteten Regierungskritiker nicht mehr gewährleistet. Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) ruft Vietnam auf, den Prozess gegen Pfarrer Ly zu vertagen, weil seine elementaren Rechte für ein faires Gerichtsverfahren nicht gewährleistet sind. Ferner fordert die IGFM Vietnam auf, die anhaltende Verfolgungswelle gegen Oppositionelle im Lande einzustellen.

Vietnamesischer Polizeistaat gegen Oppositionelle: Pfr. Nguyen Van Ly (oben) drohen bis zu 20 Jahren Haft, Le Quoc Quan RA (mitte) sogar die Todesstrafe, Do Nam Hai (unten) wurde ein "Geständnis" abgepresst.

Der katholische Pfarrer Nguyen Van Ly (60 J.), der nach Durchsuchung seiner Wohnung im Wohnheim für betagte Pfarrer und Nonnen auf dem Gelände des Sitzes des Erzbischofs von Hue am 24. Februar 2007 gegen seinen Willen in einer fremden Pfarrei unter Hausarrest gestellt wurde, erhielt am 15. März die Anklageschrift. Am 20. März wurde er dort von der Polizei zum "Haus der Kultur" gebracht, wo ihm am 30. März der Prozess gemacht werden soll. Nguyen Van Ly engagierte sich nach seiner Haftentlassung im Frühjahr 2005, die auf großen internationalen Druck zustande kam, wieder für die Menschenrechte und wirkte tatkräftig an der Untergrundzeitung "Meinungsfreiheit" mit. Seit einiger Zeit unterstützte er die oppositionelle "Progressive Partei Vietnams", die von der Regierung als illegal eingestuft wird. Seine Wohnung wurde zum Treffpunkt für Bürgerrechter und Oppositionelle.

Seit der Hausdurchsuchung beteiligen sich die Staatsmedien in Vietnam an einer Schmähkampagne gegen Pfarrer Ly, um ihn als schlechten Menschen darzustellen und die Bevölkerung für eine Vorverurteilung zu manipulieren. Pfarrer Ly wurde bislang das Recht auf anwaltliche Beratung verwehrt, weil niemand Kontakt mit ihm an seinem Verbannungsort aufnehmen konnte. Sein Recht auf eine angemessene Vorbereitung für die Verteidigung wird nicht gewährleistet. Während die Anklageseite dafür einen Monat Zeit hat, bleiben Pfarrer Ly bzw. seinem Verteidiger nur 15 Tage. Weder Pfarrer Ly noch sein Verteidiger konnten bislang die Akten einsehen oder mit den Belastungszeugen sprechen. Zudem ist zu befürchten, dass der Prozess – wie bei politischen Prozessen üblich – unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, kommentiert die IGFM. Pfarrer Ly befindet sich seit dem 15. März, als die Anklageschrift gegen ihn verlesen wurde, erneut in einem Hungerstreik und hat angekündigt, ihn bis zum Prozesstag am 30. März fortführen.

Vietnam setzt die Verfolgungswelle gegen Dissidenten im Lande fort. Am 8. März wurde der Rechtsanwalt Le Quoc Quan in der nordvietnamesischen Provinz Thanh Hoa verhaftet. Die Polizei warf ihm vor, "Aktivitäten zum Umsturz der Regierung" nach Art. 79 des StGB Vietnams betrieben zu haben. Danach könnte Rechtsanwalt Quan von fünf bis zu 20 Jahren oder zur lebenslänglichen Haft oder zum Tode verurteilt werden. Le Quoc Quan war am 4. März aus den USA zurückgekehrt, wo er ein Praktikum bei der National Endowment for Democracy (NED) absolviert hatte. Quan, eigentlich Fachanwalt für Wirtschaftsrecht, machte in Februar 2006 im Vorfeld des Parteitags der regierenden Kommunistischen Partei Vietnams auf sich aufmerksam, als er bekundete, kostenlos für Fälle sozialen Unrechts zu arbeiten. Mit Le Quoc Quan, Nguyen Van Dai und Le Thi Cong Nhan sind jetzt insgesamt drei pro-demokratische Rechtsanwälte in Vietnam innerhalb von drei Tagen zwischen dem 6. und 8. März verhaftet worden. Somit besteht die Gefahr, dass Oppositionelle, wie Pfarrer Ly, und auch die Anwälte selbst nicht rechtmäßig verteidigt werden können.

Seit August 2006 hat Vietnam mindestens 26 Dissidenten inhaftiert. Mehrere Dutzend andere wurden unter Hausarrest gestellt oder unter enormen Druck gesetzt. Dem Vorsitzenden der Allianz für Demokratie und Menschenrechte, Do Nam Hai, wurde am 16. März "aus Liebe zu seiner Familie" ein Geständnis für "fehlerhaftes Verhalten wegen politischen Engagements" erzwungen, und er musste versichern, die Führung der Allianz aufzugeben. Der unbeugsame Mann, der sich bislang nicht vor Polizeigewalt gefürchtet hatte, beugte sich aus Angst und Sorge um seine Eltern, seine minderjährige Tochter und seine Schwester während eines Kreuzverhörs bei der Polizei. Gegen seinen Stellvertreter Nguyen Chinh Ket, der sich zurzeit auf einer Europa-Reise befindet, läuft eine polizeiliche Suchanzeige. Der stellvertretende Vorsitzende der "Unabhängigen Gewerkschaft Vietnams", Le Tri Tue, wurde bei einem Überfall am 15. März krankenhausreif zusammengeschlagen. Er konnte einen der beiden Täter als die Person identifizieren, die ihn 2006 festgenommen hatte. Seit dem 19. Juni 2006 wurde er regelmäßig zur Polizei zitiert und konnte deswegen weder arbeiten noch sich frei bewegen. Man hatte versucht, ihn zur Aufgabe seiner oppositionellen Aktivität zu zwingen. Zwei Mitgliedern des "Komitees für Menschenrechte in Vietnam", Bach Ngoc Duong und Pham Van Troi, droht momentan die Verhaftung, falls sie ihrer Tätigkeit nicht abschwören bzw. ihre Eltern sie nicht im wörtlichen Sinne "züchtigen" können.

Die IGFM führt eine Namenliste von rund 180 politischen Gefangenen in Vietnam.


Quelle: igfm.de

Video dazu ansehen:
BBC World Video von Pater Nguyen Van Ly (englisch)
Video von Len Duong (vietnamesisch)