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Timothy Vu – Der Polizeichef von Alhambra

DER ORIGINALARTIKEL ERSCHIEN IN DER LA TIMES

Timothy Vu greift ans Lenkrad seines Polizeifahrzeugs und lächelt während er in Alhambra, Kalifornien, USA, den Atlantic Boulevard hinunterfährt.

Er starrt auf eine Blechlawine von Fahrzeugen, die sich auf zwei Spuren ca. eine halbe Meile im Schneckentempo ihren Weg bahnt.

„Das ist ein großes Problem für uns“, sagt Vu.

Vu war vorher 23 Jahre für die Polizeiwache in Westminster tätig, bevor er im April 2017 Polizeichef von Alhambra wurde – er ist somit der erste vietnamesische Amerikaner in den Vereinigten Staaten, der diese Position innehat.

Seine Ziele als Polizeichef sind nicht sehr „sexy“ aber sie tragen dazu bei, dass die Kriminalitätsrate in der 85 000 Einwohner Stadt relativ gering bleibt.

Vu hat sich zur Aufgabe genommen die Sicherheit für Fußgänger zu verbessern, gegen Autodiebstähle und Identitätsbetrug vorzugehen und die Gemeinschaft zu engagieren. Für diese Ziele ist die Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung notwendig und eine gewisse Bürgernähe erforderlich.

„Die Arbeit besteht zu 95% aus der Kommunikation mit den Bürgern. Das beste was wir machen können ist aus unseren Wagen auszusteigen und den Menschen direkt die Sachlage zu erklären“, sagt Vu.

Wie bei vielen Auslandsvietnamesen beginnt auch die Geschichte von Timothy Vu mit der Flucht seiner Familie auf einem klapprigen Boot aus Vietnam während der Chaos Jahre nach dem Sieg der Kommunisten über Südvietnam. Die 13-köpfige Familie harrte zwei Wochen auf dem offenen Meer aus bevor ein Schiff der US-Marine sie rette, Vu war zu diesem Zeitpunkt drei Jahre alt.

Nach kurzen Aufenthalten in Auffanglagern auf Guam und Camp Pendleton, landeten sie in Orange County, Kalifornien, von wo sie aus in einfaches Haus nach Westminster zogen.

Da die Familie so groß war, arbeiteten schon die jüngsten in der Familie, damit alle über die Runden kommen konnten, erklärt Vu.

Sein erster Job war seiner Mutter beim Zusammensetzen von Bauteilen zu helfen, die sie für ein Unternehmen herstellte. Nach den Hausaufgaben versammelten sich Vu und seine Geschwister im Wohnzimmer und verbrachten Stunden damit schwarze Plastikteile in Teile aus Gummi zusammenzustecken. Vu kann sich nicht mehr erinnern, was sie genau herstellten, nur dass es nach Gewicht bezahlt wurde und es dafür nicht viel Geld gab. Nachdem die Arbeit fertig war saßen alle um den Esstisch herum und lasen aus der Bibel und sangen.

Seinen zweiten Job hatte Vu mit 12 Jahren, er verkaufte Zeitungsabonnements von Tür zu Tür. Er machte sich gut darin und wurde Zeitungsausträger.

In einem anderen Job lagerte er Kühlschränke im Spirituosenladen seiner Schwester, später arbeitete er bei einer Imbisskette für Tacos. In einem Videoladen einer anderen Schwester verkaufte er Videorekorder und einige Zeit später war er Verkäufer in einem Bekleidungsgeschäft.

Die vielen Jobs prägten Vus Arbeitsethik.

Jeder war im Haushalt für sich verantwortlich, sagte seine ältere Schwester Maidyne.

„Es wurde uns nichts auf dem Silbertablett gereicht. Wenn er [Vu] etwas wollte, so musste er 110% geben, um es zu bekommen“, erzählt Maidyne.

Während der High-School Zeit hatte Vu fünf Jobs. Als er ins Basketball Team aufgenommen wurde, musste er sich seine eigenen Schuhe selbst kaufen. Wenn er Kleidung für Tanzveranstaltungen in der Schule brauchte, so machte er in seinen Jobs Überstunden.

„Man lernte sehr früh, dass Arbeit der einzige Weg ist, die Dinge zu bekommen, die man möchte“, sagt der Polizeichef.

Als Vu in der fünften Klasse war erlitt seine Mutter einen Schlaganfall. Sein Vater kündigte daraufhin seinen Job, um die Mutter in Vollzeit zu pflegen. Nachdem Vus ältere Geschwister ausgezogen und noch sechs Kinder zu Hause waren, da blickte jeder auf Vu.

„Er war nun der Mann im Haus geworden. Er war unser Fels in der Brandung“, sagt Maidyne.

Vu arbeitete während seine Schwestern auf Feiern oder beim Einkaufsbummel waren. Zu Hause übersetzte er die medizinischen Befunde, Versicherungsforderungen und Haushaltsabrechnungen für seinen Vater. Er, seine Brüder und seine Schwestern halfen die Miete zu zahlen, kümmerten sich um die Wäsche und kochten ihr eigenes Essen, gewöhnlich Spaghetti, Dosenfleisch und Reis oder Ramen.

Die eigene Erfahrung mit Armut führte dazu, dass Timothy Vu davon träumte Biologie zu studieren und Chiropraktiker zu werden.

„Ich hatte nicht die Möglichkeit meinen großen Träumen hinterherzugehen, wie auf ein schickes College zu gehen und dies oder das zu werden. Ich war 18 Jahre alt und half meinem Vater die Miete zu bezahlen“, erinnert sich Vu.

Nachdem er seine High-School abgeschlossen hatte, bekam er einen Job als Gehilfe in der Polizeiwache von Garden Grove und wurde beauftragt bei Gerichtsverhandlungen zu unterstützen.

Einmal sah er im Gerichtssaal zwei Männer in stylischen Anzügen mit Pistolen im Schulterholster entlang schlendern. Die Männer waren Ermittler aus Orange County und Vu löcherte die beiden mit seinen Fragen.

Von den beiden Ermittlern beeindruckt begann er Strafrecht am Golden West College zu studieren und trat nach direkt nach dem Abschluss in die Polizeiakademie ein.

Seine Polizeikarriere führte ihn zunächst nach San Diego, wo er aber nur kurz verweilte. Der Vietnamese wurde 1994 zur Polizeidirektion nach Westminster berufen, wo Vu als Streifenpolizist in der Gegend anfing, in der er aufgewachsen war.

Timothy Vu in einem vietnamesischen Bericht über Polizeiarbeit aus dem Jahr 2015


Er gehörte zu eines der wenigen vietnamesischen Gesichter, die in einem Gebiet arbeiteten, wo die Mehrheit von Vietnamesen bevölkert ist.

Die Zusammenarbeit mit Ethnien hatte er bereits als Kind kennengelernt und es half ihm nun bei seiner Polizeiarbeit. Er wurde der Beamte, der sich nicht zierte auch direkt mit den Menschen zu sprechen. Die Kollegen beschrieben ihn als einen hartnäckigen Kriminalbeamten, der unermüdlich arbeitete bis der Fall abgeschlossen war.

Vus vietnamesische Herkunft half auch der Polizeibehörde von Westminster die vietnamesische Gemeinschaft besser zu verstehen.

Als ein Eigentümer eines Videoladens die kommunistische Flagge aufhängte und dadurch eine fast zweimonatige Protestwelle auslöste, konnte Vu seinen Kollegen all den Schmerz, der mit dieser Flagge verbunden war, erklären, da viele Kollegen zunächst kein Verständnis für diese Proteste hatten.

Immer wenn es Frustration aufgrund von Sprachbarrieren zwischen englischsprachigen Polizisten und vietnamesisch sprechenden Bürgern gab, so übersetzte Vu.

Er ebnete auch den Weg für andere vietnamesische Polizeibeamte, wie z.B. Phuong Pham, der in Westminster tätig ist.

Phuong teilte seinen Eltern mit, dass er sich zum Polizisten ausbilden lasse, seine Mutter weinte. Aber Vu nahm Phuong unter seine Fittiche, beriet ihn zu Karrieremöglichkeiten und baute ihn auf.

„Er fragte mich immer, wo ich mich jetzt sehe und wollte, dass ich meine Ziele höher steckte“ erzählt Pham.

Pham, der Wachtmeister werden will, hat das Beispiel von Vu gezeigt, dass alles möglich sein kann.

„Es freut mich für Tim, dass er diesen Posten nun hat, es ist großartig und auch allgemein gut für die Vietnamesen“, sagt Pham.

Polizeichef Vu spricht weder Mandarin, Kantonesisch noch Spanisch, was die größten Sprachgruppen von Immigranten sind, die in Alhambra leben. Aber der Vietnamese glaubt, dass die Jahre in Westminster ihm helfen werden die Herausforderungen der Polizeiarbeit zu verstehen in einem Gebiet, wo die Menschen misstrauisch gegenüber der Polizei eingestellt sind.

„Ich bin nicht chinesisch, aber ich verstehe die Kultur“, sagt Vu.

Er ist der Ansicht, dass chinesische und vietnamesische Gemeinschaften dieselbe Fehlvorstellung teilen, wenn es um die Polizei geht. Wie in Westminster, so auch in Alhambra haben Einwanderer Angst an einen Beamten Auskunft über ihre persönlichen Daten zu geben, weil sie sich befürchten, dass diese Informationen genutzt würden, um sie wegen eines Verbrechens zu verhaften.

Opfer und Augenzeugen von Straftaten rufen meistens nicht die Polizei. Beamte in beiden Städten müssen aber diese Menschen in Verkehrsrechte und viele anderen Regularien aufklären.

Es gibt keine Magie, um Polizeiarbeit in einer vielfältigen Gemeinschaft vernünftig auszuführen, es ist ein Stück harter Arbeit – etwas mit dem sich Timothy Vu bestens auskennt.


Quelle:
http://www.latimes.com/local/lanow/la-me-first-viet-chief-20170912-htmlstory.html