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Kurzer Prozess mit Pfarrer Ly

Unfairer Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit in Rekordzeit - Acht Jahre für Pfarrer Ly, sechs, fünf und anderthalb Jahre für seine Weggefährten

Hue – Frankfurt/M. (30. März 2007) – In einer Rekordzeit von fünf Stunden wurden der katholische Pfarrer Nguyen Van Ly und vier seiner Weggefährten zu einer Haftstrafe von insgesamt 21 Jahren verurteilt. Die Angeklagten Nguyen Phong, Nguyen Binh Thanh, Hoang Thi Anh Dao und Le Thi Le Hang hatten in der Verhandlung ihre unter Folter gemachten Geständnisse widerrufen.
Unfairer Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit in Rekordzeit - Acht Jahre für Pfarrer Ly, sechs, fünf und anderthalb Jahre für seine Weggefährten

Hue – Frankfurt/M. (30. März 2007) – In einer Rekordzeit von fünf Stunden wurden der katholische Pfarrer Nguyen Van Ly und vier seiner Weggefährten zu einer Haftstrafe von insgesamt 21 Jahren verurteilt. Die Angeklagten Nguyen Phong, Nguyen Binh Thanh, Hoang Thi Anh Dao und Le Thi Le Hang hatten in der Verhandlung ihre unter Folter gemachten Geständnisse widerrufen. Sie wurden angeklagt wegen "Propaganda gegen die Sozialistische Republik Vietnam" nach Art. 88 des vietnamesischen StGB. Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) kritisiert, dass Vietnam mit diesem harten Urteil ein Exempel statuieren will. "Das ist eine schwarze Stunde für die Menschenrechte in Vietnam. Die 26 Dissidenten in Vietnam, die seit August 2006 inhaftiert sind, haben nichts Gutes zu erwarten", so die IGFM. Die IGFM ruft Vietnam auf, das Urteil gegen Pfarrer Ly und die vier Demokratieaktivisten in dem Berufungsverfahren aufzuheben und sie freizulassen.

Vietnam: Prozess gegen Pfarrer Nguyen Van Ly unter Ausschluss der Öffentlichkeit


Laut Information des katholischen Priesters Phan Van Loi, einem Wegefährten von Ly in Hue, wurde Pfarrer Nguyen Van Ly zu 8 Jahren Haft, Nguyen Phong zu 6 und Nguyen Binh Thanh zu 5 Jahren Haft verurteilt. Die beiden Dissidentinnen, Hoang Thi Anh Dao und Le Thi Le Hang, wurden zu jeweils anderthalb Jahre Haft auf Bewährung verurteilt. Die IGFM rechnet bei diesen Urteilen damit, dass die Hafturteile von über fünf Jahren zusätzlich mit einem mehrjährigen Hausarrest nach Abbüssen der Haftstrafe verbunden sind.

Der Prozess fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Angehörige der Angeklagten durften an der Verhandlung nicht teilnehmen. Die Angeklagten hatten keine Möglichkeit, sich angemessen auf ihre Verteidigung vorzubereiten. Der IGFM ist nicht bekannt, ob ihnen ein Pflichtverteidiger zugeteilt wurde. Tatsache ist, dass Pfarrer Ly die Anklageschrift erst 15 Tage vor dem Prozeßbeginn erhalten hat. Pfarrer Ly und Herr Nguyen Binh Thanh wurden am Vorabend des Prozesses verhaftet und an einem unbekannten Ort festgehalten.

Die Angeklagten Nguyen Phong, Nguyen Binh Thanh, Hoang Thi Anh Dao und Le Thi Le Hang sagten während der Verhandlung aus, dass ihnen während der Inhaftierung zwischen dem 16. und 19. Februar durch Hungerfolter und Schlafentzug Geständnisse abgepresst. Vor dem Gericht widerriefen sie. Der Vorsitzende der Progressiven Partei Vietnams (PPV), Nguyen Phong, hatte während seiner Haft die Auflösung der PPV angeordnet, die Zusammenarbeit mit der oppositionellen Partei „Für das Volk“ aufgekündigt und Pfarrer Ly als "Drahtzieher" der PPV angezeigt.

Der IGFM liegt eine Kopie der Anklageschrift vom 15.03.2007 vor. Pfarrer Nguyen Van Ly, Nguyen Phong, Nguyen Binh Thanh sowie den beiden Dissidentinnen, Hoang Thi Anh Ðao und Le Thi Le Hang, wird vorgeworfen, "Propaganda, mit dem Ziel, die Volksregierung zu verleumden und beschimpfen" betrieben und "Dokumente und Kulturgüter mit oppositionellem Inhalt gegen den sozialistischen Staat Vietnam hergestellt, gehortet und in Umlauf gebracht“ zu haben. Dafür sieht das Vietnam-StGB eine Haftstrafe zwischen drei und zwölf Jahre - und in schwerwiegendem Fall bis zu zwanzig Jahren – vor.

Die vietnamesische Oberste Staatanwaltschaft der Provinz Thua Thien und Hue sieht in den Aktivitäten von Pfarrer Ly eine "systematische" oppositionelle Arbeit gegen den Staat und Pfarrer Ly als "Drahtzieher" an. Sie zählte auf, dass er "Propaganda-Dokumente gegen den vietnamesischen sozialistischen Staat gesammelt, editiert, gedruckt, gehortet2 habe. Unter diesen Dokumenten seien welche, durch die „die Situation der Religionsfreiheit in Vietnam verleumdet“ werde. Pfarrer Ly habe Interviews an reaktionäre Medien im Ausland gegeben. Er habe politisch reaktionäre Organisationen wie den Block 8406, die Progressive Partei Vietnams und den Parteiverbund Lac Hong mit dem Ziel gegründet, "ein Gegengewicht zum vietnamesischen Staat zu bilden".

Der katholische Pfarrer Nguyen Van Ly (60 J.), der nach der Durchsuchung seiner Wohnung im Wohnheim für betagte Pfarrer und Nonnen auf dem Gelände des Sitzes des Erzbischofs von Hue am 24. Februar 2007 gegen seinen Willen in einer fremden Pfarrei unter Hausarrest gestellt wurde, erhielt am 15. März die Anklageschrift. Am 20. März wurde er von der vietnamesischen Polizei zum "Haus der Kultur" an seinem Arrestort gebracht, wo ihm am 30. März der Prozess gemacht werden soll. Nguyen Van Ly engagierte sich nach seiner Haftentlassung, die auf großen internationalen Druck zustande kam, im Frühjahr 2005 sogleich wieder für die Menschenrechte und wirkte tatkräftig an der Untergrundzeitung "Meinungsfreiheit" mit. Es war allgemein bekannt, dass er seit einiger Zeit die "Progressive Partei Vietnams" unterstützte, die von der Regierung als illegal betrachtet wurde. Seine Wohnung wurde zum Treffpunkt für Bürgerrechter und Oppositionelle.

Seit der Hausdurchsuchung beteiligen sich die Staatsmedien in Vietnam an einer Schmähkampagne gegen Pfarrer Ly, mit dem Ziel, ihn als schlechten Menschen darzustellen und die Bevölkerung für eine Vorverurteilung zu manipulieren. Pfarrer Ly wurde bislang das Recht auf anwaltliche Beratung verwehrt, weil niemand Kontakt mit ihm an seinem Exilort aufnehmen konnte. Sein Recht auf eine angemessene Vorbereitung für die Verteidigung wird nicht gewährleistet. Während die Anklageseite dafür einen Monat Zeit hat, bleiben Pfarrer Ly bzw. seinem Verteidiger nur 15 Tage. Weder Pfarrer Ly noch sein Verteidiger konnten bislang die Akten einsehen oder mit den Belastungszeugen sprechen. Damit ist die Waffengleichheit nicht garantiert, zudem ist zu erwarten, dass der Prozess – wie bei politischen Prozessen üblich – unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, kommentiert die IGFM.


Quelle: igfm.de

Video dazu ansehen:
BBC World Video von Pater Nguyen Van Ly (englisch)
Video von Len Duong (vietnamesisch)