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Vietnams Schmusekurs ist beendet

Kurz vor den "Wahlen" kommen im Einparteien-Staat sechs Dissidenten in Eilverfahren vor Gericht

In Vietnam müssen sechs Männer nach Schnellverfahren in dieser und kommender Woche mit bis zu 20-jährigen Haftstrafen rechnen.
Kurz vor den "Wahlen" kommen im Einparteien-Staat sechs Dissidenten in Eilverfahren vor Gericht

In Vietnam müssen sechs Männer nach Schnellverfahren in dieser und kommender Woche mit bis zu 20-jährigen Haftstrafen rechnen. Ein Arzt, ein Journalist und vier Anwälte sollen Mitglieder der verbotenen "Demokratischen Volkspartei" oder der Demokratiebewegung "Block 8406" sein.

Jakarta - Sechs Anklagen, ein Vorwurf: "Verbreitung von Propaganda gegen den Staat." Den sechs Männern wird vorgeworfen, "reaktionäre Artikel" im Internet veröffentlicht oder Flugblätter verteilt zu haben. Staatsmedien bezeichnen die Angeklagten als "feindliche Elemente", die zu Pluralismus und Sabotage aufgerufen hätten mit dem Ziel der "Teilung von Volk, Partei und Staat". Es sind Schnellverfahren angekündigt. Danach, am 20. Mai, sollen die Vietnamesen 500 Abgeordnete der Nationalversammlung wählen. Mit zwei Haken: Es gibt nur eine legale Partei, die Kommunistische Partei, und die hat die Kandidaten ausgesucht. Mit den politischen Gerichtsverfahren fällt Vietnam zurück in alte Gewohnheiten. Zuvor war Hanoi mit Entspannungskurs aufgefallen und dafür belohnt worden.

Im April 2006 hatten 118 Aktivisten des "Block 8406" ein "Manifest für Freiheit und Demokratie" veröffentlicht. Hunderte von Bürgern unterzeichneten es. Zunächst wurden sechs Initiatoren belangt, überraschend wenige. Und nach August 2006 gab es für eine Weile gar keine politischen Festnahmen und Verurteilungen mehr.

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Neues Mitglied der WTO

Diese und andere Gesten ebneten Vietnam zum Jahresende den Weg zur Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation (WTO). Die USA sahen größere Religionsfreiheit und strichen Vietnam von ihrer Liste der "bedenklichen Länder". Kurz vor einem Besuch von US-Präsident George W. Bush ließ die KP Cong Thanh Do frei, einen US-Bürger vietnamesischer Abstammung, der sich für Menschenrechte und Demokratie einsetzt. Im November kamen 21 Staats- und Regierungschefs zu einem gelungenen Asien-Pazifik-Gipfel nach Hanoi. Und schließlich sprachen Papst Benedikt XVI. und Premier Nguyen Tan Dung im Januar in Rom über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen.

Doch nun, seit zwei Monaten, ist Hanois Schmusekurs beendet. Neuen Verhaftungen von zwei Anwälten und einer Schriftstellerin folgte die Verurteilung des katholischen Priesters Nguyen Van Ly, der den "Block 8406" mit gründete. Pater Ly muss wegen "Propaganda gegen den Staat" acht Jahre lang ins Gefängnis. Vier Mitangeklagte erhielten ebenfalls Haftstrafen.

Die erwarten auch die sechs Männer, die in den kommenden Tagen vor Gericht stehen. Die Menschenrechtsgruppe "Human Rights Watch" sieht längst "die schlimmste Härte gegen Dissidenten seit 20 Jahren". Vietnams Außenamts-Sprecher Le Dung streitet ab: "Niemand ist wegen politischer Ansichten in Haft. Einige nutzen Demokratiemäntel, um Sicherheit und Stabilität zu untergraben." Moritz Kleine-Brockhoff


Quelle: FR-online.de