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Brief von Le Thi Cong Nhan an Anwalt abgelehnt

Nur weil der Brief an den Anwalt mit dem Satz “Gewissenhäftling Lê Thị Công Nhân” unterzeichnet wurde, lehnten die Gefängnisbehörden es ab, den Brief an ihren Verteidiger weiterzuleiten.
Nur weil der Brief an den Anwalt mit dem Satz “Gewissenhäftling Lê Thị Công Nhân” unterzeichnet wurde, lehnten die Gefängnisbehörden es ab, den Brief an ihren Verteidiger weiterzuleiten. Das waren Entwicklungssituationen im Fall von Rechtsanwältin Lê Thị Công Nhân und Rechtsanwalt NguyễnVăn Đài.

Zur Erinnerung: die beiden Rechtsanwälte Nguyễn Văn Đài und Rechtsanwältin Lê Thị Công Nhân (Foto) wurden jeweils zu 5 und 4 Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie sich für die Freiheit und Demokratie in Vietnam eingesetzten. Im Gespräch mit Reporter Việt Hùng berichtete Frau Trần Thị Lệ, Mutter von Rechtsanwältin Công Nhân, über Neuigkeiten nach ihrem Besuch.

Fr. Trần Thị Lệ: Ich habe meine Tochter jetzt das 3. Mal zuletzt am 29.08. besucht. Seit 5 Monaten teilt Công Nhân mit 30 anderen Gefangnenen eine kleine Zelle. Deshalb hat sie Krätze bekommen. Ihre Psyche ist aber sehr stabil. Dennoch fühlte sie sich sehr verärgert von der Behandlung. Công Nhân sagte zu mir, wenn sie bis zum 06.09. keine Nachricht von der Berufungsinstanz erhält, dann würde sie ihre Urteilsbeschwerde zurückziehen. Công Nhân sagte, sie habe langsam satt von der “roten Demokratietheater”.

Grund ihrer Verärgerung war, meine Tochter wollte mit diesem Brief den Anwalt Hà Đăng als Verteidiger bei der Berufungsinstanz beauftragen. Gefängnisbehörden hatten den Brief einfach nicht weitergeleitet. Sie argumentierten, meine Tochter habe in dem Briefkopf nicht die übliche Zeile “Sozialistische Republik Vietnam” eingetragen. Das war das erste Argument. Das zweite Argument war, meine Tochter habe die Bezeichnung “Gefängnis” in ihrem Brief verwendet. Das wollen sie auch darin nicht haben.

Việt Hùng: Ihre Tochter hatte aber auch die Bezeichnung “rote Demokratie” benutzt. War das vielleicht auch ein Grund?

Fr. Trần Thị Lệ: Meine Tochter hat das zwar gesagt, aber ich möchte erstmal schildern, was meine Tochter verärgerte, dass sie so denkt. Neben der Bezeichnung “Gefängnis” hat sie auch noch den Begriff “Verleumdung” in dem Brief verwendet und zum Schluß mit dem Satz “Gewissengefangene Lê Thị Công Nhân” unterschrieben. Die Gefängnisbehörden waren mit der Wortwahl meiner Tochter nicht einverstanden.

Việt Hùng: Das heiß, Ihre Tochter wollte Rechtsanwalt Hà Đăng mit dem Brief beauftragen, sie in der Berufungsinstanz zu verteidigen, aber die Gefängnisbehörden haben den Brief nicht weitergeleitet, weil Ihre Tochter die Zeile“Sozialistische Republik Vietnam” im Briefkopf vergessen hatte?

Fr. Trần Thị Lệ: Ja richtig. Die Behörden akzeptierten außerdem die Begriffe “Gefängnis, Verleumdung” in dem Brief nicht. Meine Tochter sollte auch nicht mit “Gewissengefangene” unterschreiben. Darauf hin hat meine Tochter einen neuen Brief geschrieben. Diesmal mit dem Briefkopf “Sozialistische Republik Vietnam”, aber weiterhin wieder die Begriffe “Gefängnis, Verleumdung, Gewissengefangene” verwendet. Meine Tochter argumentierte, das seien legitime Rechte der Bürger, die Wahrheit zu sagen. Sie sage nur die Wahrheit und wolle deshalb daran nichts ändern!

Việt Hùng: Die Gefängnisbehörden haben also nur wegen den Begriffen “Gefängnis, Gewissengefangene” die Weiterleitung des Briefes verweigert?

Fr. Trần Thị Lệ: Genauso. Meine Tochter versuchte daraufhin, den Gefängnisbehörden mit Argumenten zu erklären. Diese meinten aber, die Handlung von meiner Tochter sei undiszipliniert, und drohten ihr, in eine Einzelzelle zu stecken.

Việt Hùng: Haben die Gefängnisbehörden vorgeschlagen, welche andere Begriffe Ihre Tochter ansstelle von “Gefängnis, Gewissengefangene” verwenden sollte?

Fr. Trần Thị Lệ: Nein, das haben sie nicht.

Việt Hùng: Was ist Ihre Meinung zu der Argumentation ihrer Tochter?

Fr. Trần Thị Lệ: Meine Tochter hat recht. Es handelt sich nur um eine Anfrage an den Rechtsanwalt Hà Đăng, dass dieser sie vor dem Gericht verteidigen soll. Wenn der Rechtsanwalt mit dem Auftrag einverstanden ist, wird sie einen richten Antrag stellen, mit den ganzen Formalitäten.
Es war nicht irgendwie Antrag an die Behörden oder Regierung. Deshalb denke ich, ist diese Form von Brief nicht erforderlich.

Việt Hùng: Aber zumindest bei Gerichtsurteilen gegen Gewissen- und Politikgefangene im Sozialistischen Staat Vietnams steht es in allen offiziellen Dokumenten immer z.B. “zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt”. Wie soll man das Wort “Gefängnis” dort verstehen?

Fr. Trần Thị Lệ: Das ist dasselbe. Im Englischen benutzt man den Begriff “Prison” (Gefängnis). Dafür kenne ich keinen Unterschied.

Việt Hùng: Wenn das so ist, müssten denn Leute im normalen Briefverkehr auch die gleiche Regel anwenden, nämlich in jedem Briefkopf immer mit der Zeile “Sozialistische Republik Vietnam” beginnen?

Fr. Trần Thị Lệ: Ich war früher beim Staat beschäftigt. Nur bei Anträgen an die Regierung und Ämter musste man im Briefkopf schreiben “Sozialistische Republik Vietnam” und direkt darunter “Unabhängigkeit - Freiheit - Glückseligkeit”. Aber beim Privatbriefverkehr braucht man sowas nicht. Daher denke ich, wenn jemand aus dem Gefängnis einen Brief an seinen Rechtsanwalt schreibt, schreibt er quasi an eine Privatperson. Denn die Anwaltsgruppe Hà Nội ist ja keine Behörde.

Việt Hùng: Haben die Behörden Ihnen schon einen offiziellen Prozesstermin für die 2. Gerichtsinstanz im Fall Ihrer Tochter bzw. von Rechtsanwalt Nguyễn Văn Đài genannt?

Fr. Trần Thị Lệ: Nein, es gibt noch keine Nachricht darüber. Die haben uns lediglich nur mitgeteilt, dass die Angeklagten und ihre Verteidiger eine Nachricht darüber bekommen würden, aber nicht die Familienangehörigen.

Việt Hùng: Haben die Sicherheitsbehörden sich mit Ihnen getroffen?

Fr. Trần Thị Lệ: Nach der Verurteilung meiner Tochter haben sie mich nicht mehr vorgeladen. Bis jetzt haben zwei Sicherheitsbeamten mich einmal zu einem Gespräch gebeten.
Dabei hatten sie zu mir gesagt, ich solle kein Interview mehr geben, bzw. mich nicht mit Ausländern treffen. Später wurde mir die Absicht hinter diesem Gespräch klar. Herr M. Orona (zuständig für Menschenrechte von dem US-Außenministerium) hatte mich zu einem Gespräch am selben Tag eingeladen. Die Behörden wussten von dieser Verabredung und inszenierten deshalb diese Vorladung, damit ich nicht mehr zu dem Treffen kommen konnte.

Việt Hùng: Im Namen der Zuhörer des RFA danken wir Ihnen für dieses Interview.

Fr. Trần Thị Lệ: Ich danke auch.

Việt Hùng, RFA Reporter


Quelle: www.rfa.org