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Sechs Jahre Haft für zwei Internet-Dissidenten

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit wurden erneut zwei vietnamesische Bürger wegen "Propaganda gegen den Sozialistischen Staat Vietnam" verurteilt, berichtet die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM). Das Volksgericht von Ho Chi Minh Stadt verurteilte am 29. Januar 2008 in einem verkürzten Verfahren Truong Quoc Huy und Hang Tan Phat zu jeweils sechs Jahren Haft und anschließendem dreijährigen Hausarrest.
Anklage dreimal geändert – IGFM: Erhebliche Zweifel an der sozialistischen Justiz

Ho Chi Minh Stadt / Frankfurt am Main (31. Januar 2008) – Unter Ausschluss der Öffentlichkeit wurden erneut zwei vietnamesische Bürger wegen "Propaganda gegen den Sozialistischen Staat Vietnam" verurteilt, berichtet die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM). Das Volksgericht von Ho Chi Minh Stadt verurteilte am 29. Januar 2008 in einem verkürzten Verfahren Truong Quoc Huy und Hang Tan Phat zu jeweils sechs Jahren Haft und anschließendem dreijährigen Hausarrest. Die IGFM kritisiert die ungewöhnlich hohe Haftstrafe und befürchtet einen härteren Kurs gegen Dissidenten im Lande. Die dreimalige Änderung der Anklage gegen die beiden Internet-Dissidenten lässt nach Meinung der IGFM Zweifel an der Korrektheit des Verfahrens und des Urteils zu. Die IGFM ruft Vietnam auf, Truong Quoc Huy und Hang Tan Phat bedingungslos und unverzüglich freizulassen. Die IGFM appelliert an die EU und USA, Vietnam als neues Mitglied des UN-Sicherheitsrat Vietnam streng zu ermahnen, seiner Verpflichtung gegenüber den Menschenrechten nachzukommen und den UN-Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte einzuhalten.

Vietnamesische Cyber-Dissidenten vor Gericht: Truong Quoc Huy und Hang Tan Phat
Truong Quoc Huy, ein 28jähriger Handyhändler, nahm regelmäßig an politischen Diskussionen in dem Internet-Forum "Paltalk" teil und offenbarte dabei sein Unmut gegen die vietnamesische Regierung. Nach eingehendem Studium seiner Akte ist die IGFM auf merkwürdige Umstände bei der Entwicklung der Anklage gestoßen, die letztendlich zu der jetzt verhängten Strafe geführt haben. Danach wurde Huy gemeinsam mit seinem Bruder Truong Quoc Tuan und seiner Freundin Lisa Pham, einer amerikanischen Staatsbürgerin, zum ersten Mal am 19. Oktober 2005 in Ho Chi Minh Stadt verhaftet. Wie Huy waren auch sein Bruder und seine amerikanische Freundin bekannte Teilnehmer von Internet-Chatrooms. Am 1. November 2005 erließ die vietnamesische Oberste Staatsanwaltschaft Anklage gegen Huy wegen "Aktivitäten zum Umsturz der Volksregierung" nach Art. 79 des vietnamesischen Strafgesetzbuches (StGB Vietnams). Art. 79 gehört zum Kapitel "Straftaten gegen die nationale Sicherheit" des StGB und sieht als Höchststrafe die Todesstrafe vor. Nach neunmonatiger Haft erklärte die vietnamesische Staatsanwaltschaft jedoch in einem Beschluss vom 3. Juli 2006 die vorübergehende Haft für beendet und ließ vier Tage später Huy, seinen Bruder und seine Freundin frei und stellte sie unter Hausarrest. Die IGFM vermutet, dass die Verhaftung einer US-amerikanischen Bürgerin zu einer Intervention der US Regierung und schließlich zu der Freilassung von allen drei Inhaftierten geführt hatte.

Nur einen Monat nach der Freilassung wurde Huy beim Besuch eines Internet-Cafés am 8. August 2006 erneut verhaftet. Zuvor war der IGFM bekannt geworden, dass ein anderer Dissident bei einem Verhör gestanden hatte, dass Huy Tonbandaufnahmen von polizeilichen Verhören ins Internet gestellt hatte. Zu jener Zeit hatte die vietnamesische Polizei gegen Unbekannte ermittelt, die die polizeilichen Verhöre von drei Dissidenten aufgenommen und veröffentlicht hatte. Laut Anklageschrift der vietnamesischen Obersten Staatsanwaltschaft vom 26. Dezember 2006, die der IGFM in Kopie vorliegt, wurde Huy nun wegen "Missbrauch der freiheitlich demokratischen Rechte zwecks Beienträchtigung der Staatsinteressen" nach Art. 258 des StGB Vietnams angeklagt. Dieser Artikel sieht eine Höchststrafe von sieben Jahren Haft vor. Laut Anklageschrift habe Huy im Jahre 2005 über Menschenrechtsverletzungen an Hoa-Hao Buddhisten berichtet und zweimal Flugblätter gegen die Regierung verteilt. Damit wich die neue Anklage erheblich von der Version aus dem Jahr 2005 ab, obwohl sie sich auf dieselben "Straftaten" bezog.

Am 29. Januar 2008 wurde er wegen "Propaganda gegen den Sozialistischen Staat Vietnam" nach Art. 88 des StGB – d.h. wegen eines völlig neuen Vorwurfs - verurteilt. Art. 88 gehört auch zum Kapitel "Straftaten gegen die nationale Sicherheit" des StGB Vietnams und sieht eine Höchststrafe von 20 Jahren Haft vor. Damit wurde, so die IGFM, die Anklage gegen Truong Quoc Huy zum dritten Mal geändert. Nach Art. 88 wurden allein im vergangenen Jahr elf Dissidenten in Vietnam zu insgesamt 44,5 Jahren Haft und anschliessenden 25 Jahren Hausarrest verurteilt. Die sechsjährige Haftstrafe gegen Truong Quoc Huy ist die zweithöchste Haftstrafe gegen Dissidenten, die wegen des Propaganda-Artikels angeklagt worden sind. Nur der katholische Priester Nguyen Van Ly hatte mit 8 Jahren Haft eine höhere Haftstrafe erhalten. Nachdem mehrere Dissidenten nicht mehr wegen Verstoßes gegen den Propaganda-Artikel angeklagt worden waren, hatte die IGFM noch Ende 2007 gehofft, dass sich die Unterdrückungswelle abgeflaut hatte.

Ähnlich wie im Falle Huy wurde auch Hang Tan Phat (24 J.), ein regelmäßiger Teilnehmer von politischen Internet-Chatrooms, am 23. September 2005 verhaftet. Ihm wurde die Verteilung von Flugblättern vorgeworfen. Auch er wurde anfänglich wegen "Aktivitäten zum Umsturz der Volksregierung“ (Art. 79), dann wegen "Missbrauch der freiheitlich demokratischen Rechte, um Staatsinteressen zu beeinträchtigen" (Art. 258) und schließlich wegen "Propaganda gegen den Sozialistischen Staat Vietnam" (Art. 88) angeklagt. Er wurde zwischenzeitlich nicht wie in dem Fall von Truong Quoc Huy freigelassen. Vermutlich hatte für ihn eine Intervention durch die US Regierung gefehlt.


Quelle: www.igfm.de