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Vietnam: Schlechteste Menschenrechtsbilanz seit Jahren

Berlin / Frankfurt am Main (5. März 2008) – Trotz der rasanten wirtschaftlichen Entwicklung und der Anziehung als Investitionsstandort darf nach Auffassung der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) kein deutscher Politiker darüber hinwegsehen, dass in den letzten anderthalb Jahren die Verfolgung von Andersdenkenden in Vietnam weiter angestiegen ist.
Vietnamesischer Premier Nguyen bei Bundeskanzlerin Merkel

Berlin / Frankfurt am Main (5. März 2008) – Trotz der rasanten wirtschaftlichen Entwicklung und der Anziehung als Investitionsstandort darf nach Auffassung der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) kein deutscher Politiker darüber hinwegsehen, dass in den letzten anderthalb Jahren die Verfolgung von Andersdenkenden in Vietnam weiter angestiegen ist. Mit 55 bekannten Verhaftungen von Dissidenten und 29 politisch motivierten Prozessen weist Vietnam die schlechteste Menschenrechtsbilanz der letzten Jahre auf.

Aus Anlass des Besuches des vietnamesischen Premierministers Nguyen Tan Dung hat die Menschenrechtsorganisation in einem Schreiben an Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel gebeten, auf ihren Gast für substanzielle und nachweisbare Schritte zur weiteren  politischen Öffnung des Landes und zur Verbesserung der Menschenrechtssituation einzuwirken.

Bundeskanzlerin Angela Merkel wird den vietnamesischen Premierminister Nguyen Tan Dung am 6. März im Bundeskanzleramt empfangen. Vietnam gilt in Südostasien aufgrund einer rasanten wirtschaftlichen Entwicklung als interessanter Investitionsstandort. Oft wird dabei vergessen, dass Vietnam, einer der letzten kommunistischen totalitären Staaten ist, der die Menschenrechte immer noch schwer und nachhaltig missachtet.

55 Verhaftungen und 29 politische Prozesse in den letzten eineinhalb Jahren

In den letzten 18 Monaten stieg mit dem wirtschaftlichen Erfolg auch die Verfolgung von Andersdenkenden im Lande. Diese negative Entwicklung dokumentiert die IGFM in ihrem Jahresbericht 2008 zur Menschenrechtssituation in Vietnam. Mit den Berichten über 55 Verhaftungen namentlich bekannter Dissidenten und 29 politisch motivierten Prozessen ist Vietnam, das die Existenz politischer Gefangener vehement bestreitet, als totalitärer Staat überführt.

Schlechteste Menschenrechtsbilanz trotz wirtschaftlichen und diplomatischen Erfolgen seit zwanzig Jahren

Maulkorb für den katholischen Priester Nguyen Van Ly während des Prozesses am 30.3.2007
Das soeben erschienene Dossier „Vietnam: IGFM - Jahresbericht Menschenrechte 2008“ (www.igfm.de/index.php?id=1052) belegt die schrittweise Erhöhung des Drucks auf die aufkeimende Zivilgesellschaft in Vietnam, die mit den wirtschaftlichen und diplomatischen Erfolgen einherging. Nach Meinung der IGFM entstehe sogar den Eindruck, dass die vietnamesische Regierung internationale Anerkennung als Legitimation für Unterdrückungsmaßnahmen für den innenpolitischen Bereich ausgenutzt habe.

So erkenne Vietnam die friedliche Ausübung der Menschenrechte im Sinne des Internationalen Paktes über Bürgerliche und Politische Rechte (ICCPR) trotz seines Beitritts 1982 nicht an. Im vergangenen Jahr riskierten vietnamesische Bürger, wegen „Gefährdung der nationalen Sicherheit“ verhaftet oder verurteilt zu werden, wenn sie friedlich ihre politische Meinung geäußert, Berichte an Menschenrechtsorganisationen gesandt, Flugblätter verteilt, Menschrechtskurse abgehalten, an politischen Diskussionen im Internet teilgenommen, für Religionsfreiheit demonstriert oder eine unabhängige Gewerkschaft gegründet hatten. Die Bilanz im Bereich der politischen und bürgerlichen Rechte ist sogar die schlechteste in den letzten zwanzig Jahren, stellt die Menschenrechtsorganisation fest. Insgesamt schickten in den vergangenen 18 Monaten vietnamesische Gerichte Dissidenten für 103 Jahren in Haft und für 32,5 Jahre in Hausarrest. Alle politischen Prozesse fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, waren unfair und entsprachen nicht internationalen Standards.

Vietnamesische KP Führung will UN Pakte nicht umsetzen

Die IGFM bemängelt, dass in der vietnamesischen Führung der politische Wille fehlt, den Internationalen Pakt zu implementieren. Auch vietnamesische Gerichte ließen keine Diskussion zum Thema Einhaltung der Menschenrechte oder der Verpflichtung Vietnams gegenüber internationalen Menschenrechtsabkommen zu. Vu Quoc Dung, IGFM - Asienreferent, begrüßt daher den Rechtstaatsdialog, den Bundesaußenminister Steinmeier letzte Woche mit Vietnam vereinbart hat. Allerdings bringe der Rechtsstaatsdialog als Instrument für den Menschenrechtsschutz nur dann Fortschritte, wenn er ergebnisorientiert und realitätsbezogen gestaltet werde.

Die vietnamesische Regierung und Presse habe im Gegensatz zu Außenminister Steinmeier nur von einer „Gemeinsamen Erklärung über die Zusammenarbeit im Bereich des Rechtes und der Justiz“ gesprochen, wodurch die Gefahr bestehe, dass dem ergebnisorientierten  Menschenrechtsdialog von vornherein durch eine dialektische Sprache der Garaus gemacht werden könne. „Wir wünschen uns, dass die Bundesregierung hierzu die Zivilgesellschaft in Vietnam – insbesondere engagierte Rechtsanwälte und Juristen – konsultiert und einlädt, die täglich mit Menschenrechts-Problemen konfrontiert sind.“, so Vu Quoc Dung.


Quelle: www.igfm.de