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Ausbeutung und Erpressung durch internationale Firma

ausbeutung_erpressung.jpgLeben und Gesundheit von rund dreißig vietnamesischen Vertragsarbeiterinnen im malaysischen Penang sind bedroht, nachdem sie sich wegen Lohnkürzung und Ausbeutung bei der Geschäftsleitung der in Malaysia produzierenden Firma Polar Twin Advance beschweren wollten und sich plötzlich auf einer Liste unerwünschter Personen wiederfanden.
CAMSA-IGFM rettet Opfer des Menschenhandels in Malaysia

Penang – Frankfurt am Main (8. Juli 2008) – Leben und Gesundheit von rund dreißig vietnamesischen Vertragsarbeiterinnen im malaysischen Penang sind bedroht, nachdem sie sich wegen Lohnkürzung und Ausbeutung bei der Geschäftsleitung der in Malaysia produzierenden Firma Polar Twin Advance beschweren wollten und sich plötzlich auf einer Liste unerwünschter Personen wiederfanden. Nach Informationen der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) wurden sieben als Anführer des Protestes bezichtigte Personen in der Zwischenzeit nach Vietnam abgeschoben; die anderen, denen man bei Einreise die Pässe abgenommen hatte, haben Arbeitsverbot. In ihren Unterkünften wurde am 4. Juli das Wasser abgestellt. Auch das Wachpersonal wurde so reduziert, dass die Frauen nachts nicht mehr vor Eindringlingen sicher sind. Mit Hilfe eines Rechtsanwaltes und lokaler Mitarbeiter versucht die IGFM, die Frauen zu schützen. Die IGFM appelliert an die malaysische Regierung dafür zu sorgen, dass den Opfern die Reisepässe zurückgegeben werden, damit sie sich frei bewegen können. In einem Brief an den malaysischen Botschafter in Deutschland, Datuk Zakaria Sulong, weist die IGFM darauf hin, dass Polar Twin Advance in grober Weise das malaysische Gesetz gegen Menschenhandel (Act 670) verletzt hat.

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Fa. Polar Twin Advance in Malaysia: Ausbeutung von Vertragsarbeitern bei der Herstellung medizinischer Geräte. Bild: polarta.com
Polar Twin Advance, die im Auftrag von finnischen Firmen in Malaysia medizinische Geräte herstellt, hat zwischen 2005 und 2007 rund 80 vietnamesische Vertragsarbeiter eingestellt. Der dreijährige Vertrag versprach ihnen eine landestypische Entlohnung von umgerechnet 136 Euro monatlich. Nach einer dreimonatigen Trainingsphase wurde jedoch der Lohn alle paar Monate willkürlich auf 93 Euro pro Monat gekürzt. Da sie keine vernünftige Erklärung für die Lohnkürzung bekamen, versammelten sich am 8. Mai 2008 neunundsechzig vietnamesische und neunzehn indonesische Vertragsarbeiter, um den Generaldirektor Lee Siong You zur Rede zu stellen. Statt ihm erschien jedoch die Polizei und drohte ihnen mit Verhaftung. Daraufhin kehrten rund 30 vietnamesische Vertragsarbeiterinnen an ihren Arbeitsplatz zurück und werden seitdem isoliert gehalten.

Als am darauffolgenden Tag die Arbeiter wie gewöhnlich um 5:30 Uhr den Firmenbus besteigen wollten, mussten sie feststellen, dass ihre Namen auf einer Liste unerwünschter Personen standen. Sieben von der Firma als Rädelsführer bezichtigte Personen wurden inzwischen nach Vietnam abgeschoben. Der Abreisetermin am frühen Morgen wurde jedem meist am Abend davor mitgeteilt.

Obwohl noch ein Arbeitsvertrag besteht, dürfen die Frauen seit zwei Monaten nicht arbeiten und bekommen keinen Lohn. Bisher haben sie sich hauptsächlich mit Gemüse, das ihnen gutmütige Malaysier gegeben haben, und anderen Almosen durchgeschlagen. Die Sicherheit in den Wohnheimen ist nicht mehr gewährleistet, nachdem das Wachpersonal reduziert wurde und Fremde nachts problemlos in die Schlafzimmer der Frauen gelangen können. Nach Vietnam können die Arbeiterinnen nicht zurückkehren, weil die Firma ihre Reisepässe bei der Einreise einbehalten hat. Die vietnamesische Botschaft in Kuala Lumpur lehnt jede Hilfe ab.

Seit einigen Tagen versucht die Firma die Arbeiterinnen zu überreden, sich schriftlich zu Fehlern zu bekennen, sich bei der Firma zu entschuldigen und sich bereit zu erklären, jede Höhe von Bezahlung anzunehmen. Die IGFM vermutet, dass die Firma sich damit rein waschen will. Um den Schrecken ein Ende zu machen, wird nun die von der IGFM mitgegründete "Koalition gegen die moderne Sklaverei in Asien" (CAMSA) die Frauen zu einem sicheren Asyl bringen und bis zur rechtlichen Klärung ihrer Lage für sie sorgen. Am 4. Juli hat ein Rechtsanwalt bei den malaysischen Behörden ein Beschwerdenverfahren gegen die Firma Polar Twin Advance eingereicht.

Polar Twin Advance beschäftigt zurzeit 950 Arbeiter und macht mit der Herstellung von medizinischen Geräten einen jährlichen Umsatz von 22 Millionen US-Dollar. Zu den Investoren gehören die finnischen Firmen Polar Electro und Finnfund. Polar Electro produziert Herzfrequenzmessgeräten für Sportler und Fitnessübungen. Der finnische Staat hält 80% der Anteile der Firma Finnfund. Der größte Kunde von Polar Twin Advance ist CAPP-XX mit Hauptsitz im australischen New South Wales.

Die "Coalition to Abolish Modern-day Slavery in Asia" (CAMSA) wurde im Februar 2008 ins Leben gerufen und hat Mitglieder in den USA, Kanada und Europa. CAMSA unterhält zurzeit ein eigenes Büro in Penang, dem malaysischen Silicon Valley. Seit Gründung hat sich CAMSA erfolgreich für die Befreiung von 176 Arbeiterinnen in Jordanien sowie 1.300 Arbeiter in Malaysia eingesetzt.

Definition von Menschenhandel (Artikel 3 des Palermo-Protokolls für die Prävention, Abschaffung und Bestrafung des Menschenhandels der Vereinten Nationen):
"Menschenhandel meint die Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder den Empfang von Personen durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt oder anderer Formen der Nötigung, durch Entführung, Betrug, Täuschung, Missbrauch von Macht oder Ausnutzung besonderer Hilflosigkeit oder durch Gewährung oder Entgegennahme von Zahlungen oder Vorteilen zur Erlangung des Einverständnisses einer Person, die Gewalt über eine andere Person hat, zum Zweck der Ausbeutung. Ausbeutung umfasst mindestens die Ausnutzung der Prostitution anderer oder andere Formen sexueller Ausbeutung, Zwangsarbeit oder Zwangsdienstbarkeit, Sklaverei oder sklavenähnliche Praktiken, Leibeigenschaft oder die Entnahme von Körperorganen."


Quelle: www.igfm.de