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Brief an Herrn Do-Muoi, Generalsekretär der kommunistischen Partei Vietnams

An: Herrn Đỗ-Mười
Generalsekretär der
kommunistischen Partei Vietnams in Hà-Nội
Sàigòn, den 19. August 1994

An: Herrn Đỗ-Mười
Generalsekretär der
kommunistischen Partei Vietnams in Hà-Nội

Sehr geehrter Generalsekretär,
Ich, Thích Quảng Độ, Unterzeichner dieses Briefes, ein buddhistischer Mönch, möchte Ihnen einige Dinge wie folgt darstellen:
Heute vor genau 49 Jahren wurde mein Meister, Hochehrwürdiger Thích Đức Hải, Abt in der Pagode Linh-Quang in Gemeinde Thanh-Sam, Kreis Ứng-Hòa, Provinz Hà-Đông, um 10 Uhr morgens des 19.8.1945 (an diesem Tag hat die Revolution gesiegt) von den Kommunisten auf der Wiese eines Dorftempels von Ứng-Hòa Provinz Hà-Đông wegen "Landesverrat" hingerichtet.

Mein Onkel-Meister (religiöser Bruder meines Meisters) Hochehrwürdiger Thích Đại Hải, Abt von der Pagode Pháp-Vân (Chùa Dâu) in Provinz Bắc-Ninh, wurde von den Kommunisten 1946 verhaftet und wegen Mitgliedschaft in der Partei "Việt-Nam Quốc Dân Đảng" (Vietnamesische Volkspartei) getötet.

Mein Ur-Meister (religiöser Großvater) Altehrwürdiger Thích Thanh Quyết, Abt von der Pagode Trà-Lũ-Trung, Kreis Xuân-Trường Provinz Nam-Định wurde 1945 von den Kommunisten bezichtigt, mit der Religion als Drogen die Bevölkerung einschläfern zu versuchen. Um sich die leidvolle Anklage vor einer „Volkstribüne“ zu ersparen, hat mein Ur-Meister sich das Leben durch Erhängen genommen.

Und jetzt mit mir. Die Kommunisten haben mich vom 06.04.1977 bis zum 12.12.1978 im Gefängnis Phan-Đăng-Lưu in Bà-Chiểu, Gia-Định interniert und anschließend nach Vũ-Đoài, Kreis Vũ-Thư, Provinz Thái-Bình bis zum 25.2.1982 wegen „politische Betätigung“ verbannt. Am 10.2.1982 wurde auch meine Mutter ebenso nach Vũ-Đoài gebracht und interniert. Bis heute ist mir immer noch nicht klar aus welchem Grund. Meine Mutter verstarb am 1.1.1985 wegen Hunger und Kälte grauenvoll. Ich wollte diese unmenschliche und unbegrenzte Verbannung nicht länger erdulden und beschloss mich am 22.03.1992 (d.h. nach 10 Jahren und 27 Tagen Verbannung) nach Saigon zurückzukehren. Ich hatte dem Polizeiministerium in Hanoi von meiner Entscheidung mitgeteilt und kam am 25.3.1992 in Saigon an. Schon am 20.04.1992 erhielt ich die Aufforderung von der Polizei, die Stadt zu verlassen und wieder zu dem Verbannungsort in Nord-Vietnam zurückzugehen. Als Mönch ist der Wohnort für mich nicht wichtig. Ich habe auch keine Angst vor einem harten Leben, aber es muss alles nach Recht und Gesetz gehen. Denn ich bin unschuldig und verfüge über die vollen Bürgerrechte. Niemand hat das Recht, mich einfach nach Lust und Laune irgendwohin abschieben, wie es 1982 der Fall war. Wenn ich mich schuldig gemacht habe, dann soll man mich gemäß des Gesetzes verklagen. Ich würde das Gerichtsurteil akzeptieren. Ich bin aber ein selbstbewusster Bürger und möchte nach den Gesetzen leben bzw. von den Gesetzen regiert zu werden. Das wäre alles, was ich möchte. Allein das würde ich schon als Glück bezeichnen.

Sehr geehrter Herr Generalsekretär, ich erzähle Ihnen von dem grauenvollen Tod meiner liebsten Menschen und von der Verbannung meiner Person seit über 10 Jahren, um zu zeigen, dass ich berechtigt bin, mit Ihnen im Namen der Opfer des Kommunismus zu sprechen. In dem Zusammenhang sende ich Ihnen anbei ein Exemplar von meiner Feststellung. Darin habe ich die Unschuld meines Meisters bewiesen und die größten Fehler kommunistischen Partei Vietnams gegenüber dem vietnamesischen Volk und dem vietnamesischen Buddhismus aufgezeigt. Ich übernehme die volle Verantwortung für meine Worte und bin bereits den Preis dafür zu zahlen, selbst mit dem grauenvollen Tod wie bei meinem Ur-Meister, Onkel-Meister, meinem Meister, meiner Mutter und sogar einem Tod wie von Quan-Kì-Tư durch Trịnh-Vương.

Der Tod kann mich nicht davon abhalten, von meiner festen Überzeugung zu sprechen, nämlich dass der Kommunismus nicht mehr lange existiert. Ich komme nicht erst jetzt zu dieser Überzeugung. Nein, sie existiert in mir schon seit jenem Morgen des 19.08.45 um 10 Uhr, als ich (damals 18 Jahre) meinen Meister auf dem Hof des Dorftempels Bặt mit gefesselten Händen auf dem Rücken, und an seinem Hals zwei Schilder mit den Schriften "Landesverräter" hängend sah. Die eine Gruppe von Männern bewachte ihn mit Stöcken, Sicheln und Rechen. Die andere Gruppe, die sich als Richter vom Volksgericht bezeichnete, stellte sich auf die Grundmauerstufe des Tempels, um von oben den Prozess zu machen. Sie zwangen meinen Meister sich hinzuknien, um mit dem gesenkten Kopf ihre Beschuldigung anzuhören. Als mein Meister sich weigerte, vor ihnen zu knien, kam einer von der Stufe herunter auf meinen Meister zu und sagte: "Du Landesverräter willst dich hier auch noch dickköpfig benehmen?" Anschließend schlug dieser mehrmals mit den Fäusten auf den Kiefer meines Meisters. Aus dem Mund meines Meisters floss frisches Blut über das Kinn und tropfte auf das Schild mit den Schriften "Landesverräter" vor seinem Brust. Das Todesurteil wurde schnell verkündet. Die Männer zerrten meinen Meister auf die Wiese vor dem Tempel. Das Blut aus dem Mund meines Meisters strömte weiter, sickerte durch sein Kleid und tropfte auf den Boden. Auf der Wiese angekommen, drehten sie meinen Meister auf die Seitenlage, dann schoss einer mit der Pistole 3mal auf die Schläfe meines Meisters. Ein roter Blutschweif spritzte senkrecht nach oben. Mein Meister war sofort auf der Stelle tot. Die Bilder meines Meisters mit den Händen gefesselt tot auf der Wiese liegend und das Gesicht, die Schilder mit den Schriften "Landesverräter", das Kleid, die Füße alles voll mit Blut beschmiert, auch auf der Wiese überall mit Blut, liegen schon 49 Jahre zurück. Aber sie sind für mich noch so frisch, als wäre das ganze nur vor wenigen Tagen passiert. Was für ein Alptraum!

In tiefsten Schmerzen kniete ich mit Tränen im Gesicht neben dem leblosen Körper meines Meisters auf der Wiese. Von dem Moment an war mir klar, dass der Kommunismus nicht lange existieren kann. Grund: der Kommunismus basiert auf Hass und Klassenkampf. Menschen schlagen und töten auf dieser Art ist sehr böse. Und das Böse kann niemals lange existieren. Dies hat die Geschichte bewiesen. Weil der Mensch im Allgemeinen immer das Gute liebt und das Böse hasst. Und wenn die Menschen irgendetwas nicht mögen, dann kann das eben nicht lange existieren. Der Kommunismus in der Sowjetunion hat 74 Jahre (1917-1991) existiert. Dennoch war er im Vergleich zu der friedlichen Ly-Dynastie von Vietnam über 215 Jahren (die längste Dynastie laut Professor Hoàng-Xuân-Hãn) keine lange Zeit.

Nach 1975 habe ich noch etwas festgestellt: das Ausscheidungsgesetz. Nach diesem Naturgesetz ist das so, wenn Dinge auf dieser Welt den menschlichen Bedürfnissen entsprechen, aber aus irgendeinem Grund verschollen sind, wird man alles unternehmen, sie wieder zu finden. Andernfalls gehen Dinge von allein zu Grunde, wenn man sie nicht braucht. Nachdem ich unter dem kommunistischen Regime gelebt habe, stelle ich fest, der Kommunismus erfüllt nicht den Bedürfnissen der Menschen, denn er basiert auf totale Kontrolle und Unterdrückung der Menschen (mental) einerseits, und auf Hunger und Armut (materiell) andererseits. Diese Politik hat das Land fast in die Ruine getrieben, so dass jetzt Marktwirtschaft von den Kapitalisten kopiert und angewendet wurde. Das hat mit dem Kommunismus nichts zu tun, es existiert nur noch der Name. Der Kommunismus in Ost-Europa und in der früheren Sowjetunion ist aus dem gleichen Grund zugrunde gegangen, weil er den Bedürfnissen der Menschen nicht entsprach. Niemand bekämpft den Kommunismus. Der Buddhismus bekämpft niemanden. Im Gegenteil, der Buddhismus muss ständig um sein Überleben kämpfen, weil die Kommunisten beabsichtigen, ihn auszulöschen.

Der Buddhismus aber erfüllt, aus einem bestimmten Perspektiv betrachtet, den Bedürfnissen der Menschen. Wendet man das oben erwähnte Naturgesetz an, so wird es sehr schwer sein, den Buddhismus auszulöschen. Ich nenne dafür einige Beweise: Pagoden in Nord-Vietnam, die früher von den Kommunisten zerstört wurden, bei den die Grundmauer aber noch erhalten geblieben ist, fingen die Menschen jetzt an, sie provisorisch mit Strohblättern wieder aufzurichten. Bei den etwas wohlhabenden Gemeinden wurden Pagoden aus Steinen mit Ziegeldächern neu gebaut. Es gab bis dahin keine buddhistischen Lehrbücher mehr, weil die Kommunisten diese in der Vergangenheit als "schmutzige Kultur" vernichtet haben. Leute brachten Buddhistische Lehrbücher aus Süd-Vietnam mit, vervielfachten sie durch Fotokopieren, um sie zu studieren. Das zeigt, dass das Volk den Buddhismus braucht. Währenddessen, wo nach 1945 alle Haushalte in Nord-Vietnam Bilder von großen kommunistischen Internationalrevolutionärführern wie Karl Marx, Lenin, Stalin, Malenkow, Mao Zedong, Kim Il-sung usw. in ihrer Wohnung aufhängen mussten, habe ich diese im Jahr 1982 während meiner Verbannungszeit in Vũ-Đoài nicht mehr gesehen. Selbst bei den Parteimitgliedern!

Kim Il-sung von Nord-Korea starb noch nicht so lange her. Damals hat die kommunistische Partei Vietnams das Datum 17.7.1994 als Nationaltrauertag für Kim Il-sung angeordnet. Es mag sein, dass Herr Kim Il-sung der kommunistischen Partei Vietnams (KPV) in der Vergangenheit geholfen hat, oder aufgrund der freundschaftlichen Beziehung unter den kommunistischen Brüderländern nach dem Motto "wenn die Lippen nicht zu sind, dann frieren die Zähne", dann sollten die KPV zusammen mit ihren 1,8 Millionen Mitgliedern allein um Kim Il-sung trauen. Warum musste das ganze vietnamesische Volk um Kim Il-sung trauen, wo er weder für das Land Vietnam noch für das vietnamesische Volk etwas getan hat? Die KPV hätte stattdessen das Datum 10.03. (nach vietnamesischem Kalender) zum Nationalfeiertag erklären und in Hanoi eine große Feier veranstalten sollen, damit die Bevölkerung an diesem Tag den Landesgründer Hùng Vương gedenken können. Warum sollten wir Kim Il-sung anstatt unsere eigenen Vorfahren ehren? Warum geht die KPV mit ihrem Volk anders um als mit einem Kommunisten? Nämlich mit Gewalt und Töten? Jedes mal wenn ich mich an die Bilder meines erschossen Meisters vor dem Dorftempel Bặt erinnere, empfinde ich tiefe Schmerzen und zugleich auch das Beschämen, Nachfahren von der Lạc Hồng-Abstammung mit mehr als 4000 Jahren Kultur zu sein.

Außerdem, Tausende vietnamesischer Bürger wurden durch den Klassenkampf, durch die Bodenreform 1956 vor der "Volkstribüne" in Nord-Vietnam umgebracht. Obwohl die KPV danach Fehler zugegen und sich dafür entschuldigt hat, Menschen fälschlicherweise getötet zu haben, wurde bis heute noch keine Nationaltrauerfeier für getöteten gemacht! Und unzählige Menschen, die nach dem 30.04.1975 auf der Flucht im Meer ertrunken sind. Wer trauert um sie?

Wenn das vietnamesische Volk um jemanden trauen soll, dann trauert es um diese Menschen, und nicht um Kim Il-sung von Nord-Korea!
Hochachtungsvoll.

gezeichnet von
Thích Quảng Độ
Generalsekretär des Hóa Đạo-Institutes von der Vereinigten Buddhistischen Kirche Vietnams

In Kopien an:
- Hochehrwürdigen Thích Huyền Quang, Leiter des Hóa Đạo-Institutes von der Vereinigten Buddhistischen Kirche Vietnams
- Pagoden von der Vereinigten Buddhistischen Kirche Vietnams im In- und Ausland
- Führer anderer Religionen zur Kenntnis


Quellen:
www.doi-thoai.com
www.doi-thoai.com